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Payback

Titel: Payback
Autoren: Frank Schirrmacher
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kann ohne Zweifel zu einem Leben permanenter, panikartiger und sogar erzwungener Vernetzungen führen. Aber die Chancen, dass daraus etwas Gutes wird, sind ebenso groß. Ich habe keine Angst um das Papier, auf dem dieses Buch gedruckt wird. Es ist kein Informationsträger der Vergangenheit, und es kann neben den Bildschirmen bestehen. Es wird anders gelesen werden, denn es ist ein Gedanken-Träger, aus dem bei der Lektüre keine digitalen Schlüsse gezogen und keine soziale Vernetzung erzwungen werden können. Je stärker Menschen in der elektronischen Welt in digitale Savannen geführt werden, desto größer wird das Bedürfnis nach der uneinnehmbaren Festung des dünnen Papiers. Vielleicht nur deshalb, damit Menschen herausfinden können, ob sie noch selbstbestimmt denken und Ziele definieren können. Aber es ist nur ein Symbol. Es geht darum, Verzögerungen in unser Denken einzubauen, um den Aufmerksamkeitsmuskel zu stärken. Auch der aller Romantik unverdächtige John Bargh sieht darin einen Ausweg aus den natürlichen und selbstauferlegten Automatismen des Lebens. Menschen übernehmen Automatismen und Stereotype, Skripts und Drehbücher, weil die Reize und das menschliche Denken zu schnell für uns sind, als dass wir wirklich unseren Gedanken folgen könnten. Wir bemerken sie oft zu spät. Darum zwingen uns die lichtschnellen Computer immer stärker dazu, routiniert auf die Welt zu reagieren. Doch wenn man aufmerksam zuhört, so Bargh, kann man die Gedanken hören.
    »Ich hab es selbst probiert und es stimmt. Sie können folgen. Die Geschwindigkeit ist das Problem. Sie müssen gleich nach einem äußeren Reiz zuhören, und Sie können es hören und jedem einzelnen Glied Ihrer Gedankenkette folgen.« 171
    Es gibt eine Utopie für unseren künftigen Umgang mit unserem Wissen und den sekündlich neu eintreffenden Informationen. Hermann Hesses »Glasperlenspiel« beschreibt eine Welt, in der der Umgang mit Informationen nicht mehr vom nie zu stillenden Hunger geprägt wird, sondern vom Spiel. Das gesamte Wissen der Menschheit wird von den Glasperlenspielern nicht konsumiert, sondern »gespielt wie eine Orgel vom Organisten, und diese Orgel ist von einer kaum auszudenkenden Vollkommenheit. Theoretisch ließe sich mit diesem Instrument der ganze geistige Weltinhalt im Spiele reproduzieren«. Durch die Computer sind die Gesellschaften längst in die Phase des Spiels eingetreten, aber haben es bislang denjenigen überlassen, die an Börsen und Finanzmärkten verhängnisvolle Wetten auf Informationen abschließen.
    Der Computer beendet eine lange Geschichte, in denen Organismen ihre Informationen in Speichern ausgelagert haben. Beginnend mit der ersten DNA der Bakterien, über die Artefakte, die Schriften, die großen Bibliotheken. Jetzt sind Menschen an den Speicher ebenso angeschlossen wie an ihr Gehirn. Zu wissen, dass wir bestimmte Dinge nicht mehr wissen müssen, hat nur Sinn, wenn wir aufräumen und den frei gewordenen Platz nutzen, wenn das nicht geschieht, wird uns, wie der Neuroethiker Thomas Metzinger schreibt, die Kontrolle über unsere eigene Aufmerksamkeit entrissen und wir flirren dahin in einer »Mischung aus Traum, Rausch und Infantilisierung«. 172
    Es geht um Realitäten. In Schulen, Universitäten und an den Arbeitsplätzen muss das Verhältnis zwischen Herr und Knecht, zwischen Mensch und Maschine neu bestimmt werden. Die Gesellschaft, die die Kontrolle über ihr Denken neuartig zurückgewinnt, ist eine, in der in Schulen und Hochschulen Meditationen als Teil des Unterrichts angeboten werden. Sie werden zu Institutionen, in denen Denken gelehrt wird und nicht Gedanken, indem wir lehren, in Zeiten der Suchmaschine den Wert der richtigen Frage zu erkennen.
    Es gibt Äonen von Gedanken, die wir in dieser Sekunde mit einem einzigen Knopfdruck abrufen können. Aber kein Gedanke ist so wertvoll und so neu und schön wie der, dessen erstes Flügelschlagen wir gerade jetzt in unserem Bewusstsein hören.

DANKSAGUNG
    ieses Buch hätte nie geschrieben werden können ohne die Hilfe vieler Menschen. Ich danke Stephen Baker, John Brockman, Nicholas Carr und Caleb Crain. Die Geschichte der künstlichen Intelligenz, die in diesem Buch nur gestreift werden kann, liest sich wie ein Thriller, und wird eines Tages elementarer Bestandteil von Philosophiegeschichten sein. Vint Cerf, der »Vater des Internet« und George Dyson, der Historiker der künstlichen Intelligenz, haben mir Vergangenheit und Zukunft der großen
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