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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
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eine Überraschung. Geburtstag.« Es stimmte sogar. Sie sah mich prüfend an, und ich lächelte so treuherzig wie möglich.
    Von der Bar aus hätte ich gute Sicht auf beide Tische, die nicht sehr weit voneinander entfernt standen, aber dennoch weit
     genug, dass sich die Protagonisten nicht begegnen würden. Ich probierte mehrere Positionen aus und fand schließlich eine,
     die mir einen fast perfekten Überblick verschaffte, mich aber vor Blicken verbarg.
    Heino Sitz kam als Erster, sehr pünktlich. Ich hoffte, dass die Skepsis der Reservierungsdame nicht wiedergekehrt war, aber
     Heino stapfte, sich kaum umsehend, in Begleitung eines Kellners nur vier Meter entfernt an mir vorbei, ohne dass er mich bemerkte.
     Er setzte sich, schwatzte kurz mit dem Ober, der ihm gleich darauf ein längliches Gläschen brachte – sicherlich keinen Asti
     Spumante. Mein Chef wirkte fröhlich und aufgeräumt. Kein Kunststück, denn er erwartete ja ein romantisches Essen und anschließend
     ein oder zwei Bettrunden mit Nina.
    Dann lief es mir eiskalt den Rücken herunter, trotz der über dreißig, gefühlt fast fünfzig Grad im Schatten. Silke und Steini
     betraten das Restaurant, Hand in Hand, leger-schick gekleidet. Ich musste mir – gegen den sich andeutenden Herzkrampf – eingestehen,
     dass sie ein schönes Paar waren. Beide lächelten, und |322| ich konnte sogar sehen, wie sie ihre Handballen gegenseitig mit den Daumen umschmeichelten, während sie dem Kellner zum Tisch
     folgten. Obwohl ich mich definitiv außerhalb ihres Blickfeldes befand, duckte ich mich hinter eine Pflanze. Ein Teil von mir
     wünschte sich sehr weit weg und verfluchte mich für die Idee. Es tat weh.
    Heino Sitz spielte mit seinem Mobiltelefon, er saß mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen. Eine halbe Minute nachdem Ingo und
     Silke Platz genommen hatten, brachten zwei Kellner eine Flasche Champagner im Kühler und eine kleine Torte, auf der eine Wunderkerze
     brannte. In mir brannte es ebenfalls, aber ich war vor allem unglaublich wütend. Jetzt küssten sie sich auch noch, und danach
     konnte ich »Alles Gute zum Geburtstag« von Silkes Lippen ablesen. »Du mich auch«, dachte ich und kippte mein acht Euro teures
     Heineken in einem Zug herunter. Einheimisches Bier gab es hier nicht, Jahrtausende Brauereitradition hin oder her.
    Es machte mich redlich fertig, am Tresen zu sitzen und dem angeblich asexuellen Steini und der Frau, die mein Kind im Bauch
     trug, beim Schnäbeln zuzugucken, und ich war mehrfach versucht, meinen Plan einfach umzuschmeißen, an ihren Tisch zu treten
     und ihnen, beispielsweise, in die Gläser zu pinkeln. Aber ich riss mich zusammen, orderte ein weiteres Bier und wartete ab.
     Nina kam, ganz Frau von Welt, eine Viertelstunde zu spät. Ingo und Silke hatten da gerade ihre Vorspeise hinter sich und schwatzten
     fröhlich gestikulierend. Als Nina an ihrem Tisch vorbeigeführt wurde, versteifte sich Steini und beugte sich zur Seite, um
     ihr hinterherzusehen. Dann schüttelte er den Kopf, legte wieder ein Lächeln auf und setzte das Gespräch fort.
    Nina trug eine luftige, aber edle Kombination aus der Boutique. Sie war dezent geschminkt, ihr Haar glänzte. Heino Sitz erhob
     sich strahlend, dabei deutete er eine Verneigung an. Dann wollte er meine Kollegin umarmen, aber die wich geschickt aus und
     setzte sich ihm gegenüber hin. Ich atmete durch. Einen Moment lang |323| hatte ich befürchtet, sie hätte sich anders entschieden, offenbar aber wollte sie es an diesem Abend wirklich wissen. Ich
     sah auf die Uhr und hoffte, dass ihr Pilot nicht zu früh käme. Als ich mein zweites Bier bekam, umrundete ich gemächlich den
     Tresen und platzierte mich so an der Bar, dass ich vom Geburtstagstisch gesehen werden konnte, nicht aber vom Redaktionstisch.
     Ich hörte Gesprächsfetzen von Steini und Silke, und dann, zwei Minuten später, verstummte die angeregte Unterhaltung, wurde
     anschließend tuschelnd fortgesetzt.
    Sie hatten mich entdeckt.
    Ich versuchte ein Lächeln, auch wenn ich kurz davor war, einfach abzuhauen. Ich drehte mich so zur Seite, dass ihr Tisch noch
     immer nicht in meinem Blickfeld lag, aber aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass mich die beiden fixierten – ängstlich,
     wie ich hoffte. Schließlich stand ich auf und ging, einen möglichst entspannten Eindruck vermittelnd und ohne sie anzusehen,
     zu dem Tisch, an dem Heino Sitz und Nina saßen.
    »Hallo, Chef, hallo, Nina«, sagte ich und nahm einfach
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