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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
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Hurghada machte – mit jedem Meter Entfernung. Die hellen Gebäude, die paar
     Palmen und der klischeeblaue Himmel verschwammen irgendwann zu einem ansehnlichen Bild. Und in der anderen Richtung wurde
     es nachgerade paradiesisch. Als wir vom schwankenden Boot ins flache, laue Wasser hüpften, lag vor uns ein alpinweißer Strand,
     der in niedrige Dünen überging. Rechter Hand gab es eine Art Strandbar mit Terrasse, um uns herum lagen Dutzende Boote. Die
     Insel war zwar gut besucht, aber längst nicht überfüllt. Kindergeschrei war nicht zu hören. Aus dem Wasser ragten allerdings
     ganze Schnorchelwälder.
    »Hübsch«, stellte Nina fest, als wir auf unseren Badetüchern und unter einem Sonnenschirm lagen, den wir für einen Irrsinnspreis
     im Hotelshop gekauft hatten. Ich nickte nur. Gleichzeitig nahm meine Müdigkeit pathologische Züge an. Am gestrigen Abend hatten
     wir uns zwar zurückgehalten, aber unser Hotel war einfach nicht dafür gebaut, um darin zu übernachten. Selbst mit Knete in
     den Ohren. Wenn es tatsächlich Schallisolierungen gab, dann bestenfalls im Fundament. Der armselige Kaffee und das obligatorisch-spärliche
     Frühstücksbuffet hatten meine Laune auf |314| einem niederen Niveau eingependelt, und in diesem Augenblick wollte ich nichts als meine Ruhe. Bimbo robbte in den Bereich
     zwischen unseren Badetüchern und schloss seufzend die Augen. Ich tat es ihm nach. Mit dem Geruch von feuchtem Pudel in der
     Nase schlief ich ein.
     
    Etwas sehr Kaltes weckte mich – eine Bierflasche, die mir auf die Brust gestellt worden war. Ich musste heftig blinzeln, um
     mich an die knallblaue Helligkeit zu gewöhnen. Mein Schädel brummte niederfrequent. Es war kurz nach zwei, ich hatte über
     drei Stunden gepennt.
    »Frühstück«, sagte Nina, die im Schneidersitz auf ihrem Handtuch logierte. »Außerdem kriegst du einen Sonnenstich, wenn du
     hier stundenlang schläfst.«
    »Danke.« Mein Gaumen fühlte sich rau und pelzig an. Ich nahm einen erfrischenden Schluck und ließ meinen Blick über das strandnahe
     Wasser schweifen, wobei ich versuchte, die Schnorchel zu zählen, aber das gab ich bald wieder auf.
    »Irgendwas geht in dir vor, oder? Du brütest was aus.«
    »Oh.« Ich richtete mich auf. »Hast du dein Telefon dabei?«
    Nina nickte und zog den Apparillo aus der Tasche.
    »Ruf Heino an. Ich hab für euch beide heute Abend einen Tisch bestellt.«
    »Du hast
was
?«, rief sie laut. Einige Urlauber sahen zu uns herüber.
    »Meine Güte, du
musst
diese Scheiße beenden. Es hat keinen Sinn, der Typ veralbert dich nur, und du könntest bessere haben. Das weißt du selbst.
     Denk an den schnieken Piloten! Und ich ertrage es nicht, mitansehen zu müssen, wie Sitz alle Frauen herumstößt, mit denen
     er zu tun hat.« Das stimmte zwar nicht ganz, klang aber zumindest in meinen Ohren ganz gut.
    »Das ist doch wohl meine Sache«, protestierte sie, aber deutlich leiser als zuvor.
    |315| »Mmh. Sind wir Freunde?« Ich lächelte und legte eine Hand auf ihren sonnenerhitzten Unterarm.
    Sie zwinkerte. »Doch. Schon. Ja, klar. Trotzdem …«
    »Nix trotzdem. Du gehst da heute Abend hin und machst Klarschiff. Sonst endet das nie.«
    »Das wird mich den Job kosten.«
    Ich grinste. »Wird es nicht.«
    Nina runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei sah sie mich prüfend an, und ich hatte echte Schwierigkeiten,
     mein freundliches, optimistisches Lächeln aufrechtzuerhalten. Dann nickte sie kurz.
    »Okay, ich werde ihn treffen. Meinetwegen auch in diesem Restaurant. Aber was ich da mache, das ist immer noch meine Sache.«
    Ich nickte und gab ihr die Daten. Sie stand auf, ging ein paar Schritte und rief dann unseren Chefredakteur an. Es dauerte
     nur zwei Minuten.
    »Du führst doch noch mehr im Schilde«, bemerkte Nina, als sie zurückkam.
    »An End Has a Start«
, summte ich.
    »Das muss ich nicht verstehen, oder?«
    »Nein. Aber du wirst es.« Gut gelaunt stellte ich die Flasche in den Sand, um erstmals auf dieser bizarren Reise ausgiebig
     im Meer zu planschen.
     
    Danach besprachen wir bei einer zweiten Runde den letzten Artikel. Wir überraschten uns gegenseitig damit, zur gleichen Schlussfolgerung
     gekommen zu sein: Dieser finale Beitrag der kleinen Reihe sollte einen versöhnlichen Abschluss darstellen und sogar ansatzweise
     eine Lanze für den Pauschaltourismus brechen. Das würde Heino Sitz zwar nicht gefallen, aber wenn alles so lief, wie ich es
     mir vorstellte, gehörte das
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