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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
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nicht nebeneinanderlagen, Nina in der Reihenmitte irgendwo vorne im Flugzeug, ich am Gang hinten,
     im Raucherbereich. Ich fragte zweimal nach, aber es gab tatsächlich einen Raucherbereich, was mich verblüffte und ein bisschen
     freute.
    »Charter halt«, erklärte Nina.
    Ihr Gepäck wog fünfzehn Kilo zu viel, und eigentlich war nur ein Koffer pro Nase erlaubt. Außerdem hatte sie vergessen, den
     Hund anzumelden, weshalb erst noch eine Transportbox aufgetrieben werden musste. Nina zahlte den gesalzenen Aufschlag mit
     ihrer goldenen Verlags-Kreditkarte, während ich mich bereits abtasten ließ. Danach sollte ich demonstrieren, dass sowohl mein
     Laptop als auch mein iPod funktionsfähig waren. Im Warteraum standen massenweise freie Sitzplätze zur Verfügung, weil sich
     die allermeisten Fluggäste bereits angestellt hatten, um in über einer Stunde boarden zu können. Ich feixte mir einen und
     sah mich nach Kaffee oder wenigstens Gratiszeitungen um, aber beides gab es nicht. Dann stand Nina Blume neben mir, das Gesicht
     jetzt leicht gerötet.
    |35| »Diese Idioten. Haben mir mein Reise-Necessaire abgenommen.«
    »Dein Reisewas?«
    Sie brummelte irgendeine Antwort, während sie auf die Schlange vor der Tür starrte, hinter der es zum Flieger gehen würde.
    »Warum tun die das?«, fragte ich.
    »Das wirst du dann schon sehen.«
    Ich sah es, mehr als eine Stunde später. Als zum Einsteigen aufgerufen wurde, verdichtete sich die Schlange auf die Hälfte,
     und die wenigen Fluggäste, die noch nicht angestanden hatten, pressten ihre Bauchtaschen gegen die Rücken am Schlangenende.
     Wir warteten noch ein paar Minuten, bis das Gros im Gangway-Tunnel verschwunden war, und schlenderten dann zur Bordkartenkontrolle.
     Kurz dahinter stauten sich die Touristen. Es dauerte weitere zehn Minuten, bis ich im Vorderteil der Maschine stand, und von
     dort aus konnte ich beobachten, warum man trotz der Sitzplatzreservierung versuchte, vor allen anderen in der Maschine zu
     sein: Es ging um den begrenzt verfügbaren Platz in den Ablagefächern. Die Menschen standen im Gang und pressten ihre Trolleys,
     Strandtaschen, Luftmatratzen, Sonnenschirme und Plastiktüten voller Zigarettenstangen mit roher Gewalt in die Fächer. Zwischen
     den Stehenden und den Leuten, die bereits saßen, flogen Beschimpfungen und Ablagefachpacktipps hin und her.
    »Du wirst deine Laptoptasche unter den Sitz legen müssen«, erklärte Nina.
    »Und du deine Handtaschen.«
    Wir trennten uns, und ich drängelte mich durch das Nahkampfgetümmel ins Heck des Airbusses. Zwei Damen, die Zwillinge sein
     konnten, grinsten mich an, als ich neben ihnen Platz nahm. Sie waren vielleicht Anfang sechzig, trugen viel zu großzügig dekolletierte
     Blusen über ihren gewaltigen Brustanordnungen und hatten gefärbte Haare, die an Holzwolle erinnerten, die jemand in Blut getaucht
     hatte. Ich nickte höflich, setzte mich, was nicht ganz einfach war, da ich meine Füße wegen der Laptoptasche nicht |36| unterzubringen wusste. Ich zog sie wieder vor, um meinen iPod und ein Buch herauszuholen.
    »Und? Wo geht es hin?«, fragte meine direkte Nachbarin fröhlich.
    »New York«, antwortete ich reflexartig, wobei mir einfiel, dass es ja darum ging, Erfahrungen einzusammeln, also tendenziell
     freundlich zu sein. Aber meine Nachbarin lachte.
    »Ich
weiß
, dass Sie auch nach Gran Canaria fliegen. Ich meine, wo wohnen Sie dort?«
    Eine gute Frage. Ich wusste es nicht genau.
    »Irgendwas mit Paloma«, erklärte ich.
    »Maspalomas«, kam vom Fensterplatz.
    »Kann sein.«
    »Und wo da genau?«, fragte meine Nachbarin wieder.
    »In einem Hotel«, antwortete ich, weil das tatsächlich alles war, was ich dazu sagen konnte. Ich hatte nicht die geringste
     Ahnung und Nina Blume die Vouchers.
    »Sie sind mir ja einer«, lachte meine Nachbarin. Die andere beugte sich vor und betrachtete mein Shirt.
    »Radiohät? Was bedeutet das?«
    »Das ist eine Musikgruppe.«
    »So wie die
Randfichten

    »In etwa.«
    »Haben Sie das auf Ihrem Pläher?«
    Ich nickte. Und ein paar sehr schräge Thom-Yorke-Solosachen. Immerhin, meine Weggefährtin wusste, worum es sich bei meinem
     iPod handelte. Alle Achtung.
    »Können Sie mir ja dann vorspielen«, schlug der Fensterplatz vor. Aber hallo. Ich nickte wieder.
    In diesem Moment rollte die Maschine an. Zwei Stewardessen präsentierten die Sicherheitsvorkehrungen ohne die nötige Begeisterung,
     aber sie hatten trotzdem die Aufmerksamkeit der allermeisten
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