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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
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Das waren Reiseziele, die ich freiwillig nie aufgesucht hätte.
    »Können sie euch zwingen?«
    »Na ja.« Ich nahm den letzten Schluck aus meinem Glas. »Der Chef hat mir klargemacht, dass mein Job auch von einem mittelmäßig |25| intelligenten Schimpansenbaby ausgeübt werden könne, langfristig gesehen, aber er hat auch durchblicken lassen, dass das eine
     Chance für mich ist. Stimmt vermutlich sogar. Ich hänge seit Jahren an Leserbriefen und diesen bescheuerten Rätseln fest.
     Eigentlich bin ich Journalist, oder?«
    Steini nickte grinsend. Nicht einmal er wusste von meiner Medsger-Begegnung, von der ich hoffte, sie würde dadurch aus meinem
     Gedächtnis verschwinden, dass ich sie totschwieg – was bisher nicht so recht geklappt hatte. Tatsächlich war der Aspekt, für
     ein paar Wochen aus der Schusslinie meiner promisken Chef-Ehefrau zu sein, der einzige positive, den ich der Sache abgewinnen
     konnte. Der Blick von schräg unten beherrschte nach wie vor meine Phantasien, und ich war nicht sicher, ob ich einem zweiten
     Angriff würde standhalten können. Ich zwinkerte das transparente Abendkleid aus meinem geistigen Blickfeld.
    »Mit Nina Blume ist er ein bisschen härter umgesprungen, er hat sie nach meinem Gefühl sowieso auf dem Kieker«, ergänzte ich.
     Die Gerüchte über eine Blume-Sitz-Affäre kannte Steini natürlich;
jeder
im Haus kannte sie, es gab sogar – meistens aus der Ralf-Leitmann-Ecke – blöde Witze dazu wie »Bumsen die in der Blumensitzstellung?«.
     Ich hielt das nach wie vor für Unsinn, andererseits gab es wahrnehmbare Spannungen zwischen den beiden. »Die Ressortleiterin
     eines Reisemagazins, die sich nur auf Sylt oder Balkonien entspannt, sei keine sehr glaubwürdige Besetzung, hat er gesagt.
     Ich meine, klar, die Frau muss eigentlich nicht durch die Weltgeschichte gondeln, die Beiträge machen ja andere Leute. Aber
     irgendwie hat er recht. Sie hat dann von ihrer Flugangst geplappert. Da hat er ihr die Adresse eines Psychologen zugesteckt.
     Als sie leise drohte, es gäbe durchaus andere Magazine, die an ihr interessiert wären, hat Sitz nur durch die Zahnreihe gepfiffen.
     Sie war sofort ruhig und hat etwas wie ›Vielleicht wird es ja interessant‹ genuschelt. Die Arme. Kann einem fast leidtun.«
     Natürlich tat sie mir nicht leid.
Ich
tat mir leid.
    |26| Lisa brachte unsere Biere und schmachtete Steini an. Er lächelte freundlich, aber unverbindlich zurück. Die Kellnerin war
     eine durchaus gutaussehende junge Frau. Ich fand sie nett, und für ihn galt das sicher auch, aber sie hätte aussehen können
     wie Audrey Tautou und über die Intelligenz und Schlagfertigkeit von …
weiß der Geier
verfügen können. Steini reagierte nicht auf Anmache.
    Er hieß eigentlich Ingo Steinmann und arbeitete für ein Modemagazin im selben Haus wie ich. Wir hatten uns in der Verlagskantine
     kennengelernt und ziemlich schnell festgestellt, dass es eine gewisse Seelenverwandtschaft gab. Steini gehörte zu den besten
     Dingen, die mir in den letzen Jahren passiert waren. Seine Sexualität, sofern überhaupt vorhanden, war mir allerdings nach
     wie vor ein Rätsel. Er sah sehr viel besser aus als ich – was ich völlig neidlos anerkannte, außerdem gehörte meiner Meinung
     nach nicht viel dazu –, verfügte über diesen männlich-robusten Charme, hatte ein kantiges Gesicht, so eine struppig-legere
     Frisur, die die Mädels ganz kirre machte, und den Körper eines Profiruderers. Tatsächlich war er Mitglied in einem Ruderclub
     und betrieb noch fünf Dutzend andere Wassersportarten, aber seine größte Leidenschaft war das Tauchen. Seit wir uns kannten,
     versuchte er, mich zu einem gemeinsamen Tauchurlaub zu überreden, aber ich hielt vom Unterwasserdasein mit Stahlflasche auf
     dem Rücken noch weniger als von einem Spaziergang auf dem Mond ohne Astronautenanzug. Einmal im Jahr, exakt um seinen Geburtstag
     Anfang Juli herum, fuhr Steini für drei Wochen in einen Edelclub in Ägypten, wo er einsam – »Verstehen tut das sowieso keiner«
     – sein Jubiläum feierte. Dort tauchte er dann, sooft es ihm möglich war, und die Feier bestand aus einem Solo-Sieben-Gänge-Essen
     im clubeigenen Nobelrestaurant, dessen Namen er mir sogar mal genannt hatte. Der Einzige, den er jemals gefragt hatte, ob
     er ihn begleiten würde, bin angeblich ich gewesen, aber – bei aller Freundschaft. Eher würde ich mir eine Sauerstoffflasche
     rektal einführen. Wobei. Ägypten stand mir auch
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