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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
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hören.
    »Glückwunsch. Mit wem feierst du?« Ich versuchte, nicht genervt |30| zu klingen, aber es misslang mir. Stan kam angeschlichen und schmiss sich seitwärts gegen meine Wade. Ich schob den protestierenden
     Kater beiseite und setzte mich aufs Sofa. Stan sprang auf meinen Schoß, drehte sich auf den Rücken und streckte die Vorderpfoten
     von sich, als würde ich ihn längst kraulen.
    »Alleine. Warum fragst du?«
    »Ach nichts.«
    »Alles in Ordnung bei dir? Du klingst gestresst.«
    ›Ja, Schatz‹, antwortete ich in Gedanken. ›Ich telefoniere mit der Frau, die ich mal geliebt habe, die ich aber inzwischen
     nur noch
mag
und die nachts um halb drei mit irgendwelchen Leuten feiert, während ich zwei verhaltensgestörte Kater bespaßen muss. Ich
     fahre in nicht ganz dreißig Stunden nach Gran Canaria, auf eine Insel, von der ich noch nichts Gutes gehört habe, und muss
     dort zwischen Neckermännern so tun, als wäre ich mit Nina »Die Wurstpelle« Blume verheiratet, während ihr Bimbo-Pudel in die
     Rabatten kackt. Ich
bin
gestresst, Liebling. Außerdem hätte ich dich vor zwei Monaten beinahe mit der Frau meines Chefs betrogen. By the way – liebst
     du mich noch?‹
    »War ein langer Tag«, sagte ich stattdessen.
    »Bei mir auch.« Sie lachte, wobei sie wieder die Hand vor den Hörer hielt, dann hörte ich deutlich: »Sekunde noch.« Als sie
     die Hand wieder weggenommen hatte, sagte sie: »Wir sehen uns übrigens erst übermorgen. Ich habe noch Termine reinbekommen.«
    »Mmh. Dann sehen wir uns erst in neun Tagen.«
    »Warum das denn?«
    »Ich muss auf Geschäftsreise. Heino Sitz hat mir heute …«
    »Ach, wie ärgerlich«, unterbrach sie mich fröhlich. »Aber ich muss Schluss machen, mein Akku ist alle. Hab dich lieb.«
    Dann war die Verbindung beendet. Die letzten drei Worte hatte sie geflüstert – um es intimer zu machen, oder um es vor jemandem
     zu verbergen. Ich entschied mich für Letzteres und schubste Stan verärgert von meinem Schoß.

|33| 1.
    Die Maschine ging um kurz nach sieben morgens, wir hatten uns für halb sechs verabredet, weil Nina Blume der Meinung war,
     man müsse anderthalb Stunden vor Abflug einchecken. Als ich nach einer berlinkonform-obskuren Taxifahrt (laute orientalische
     Folklore, Vanille-Wunderbaum, trotzdem leichter Verwesungsgeruch mit Knoblauch-Kopfnote, erste fünf Kilometer in Richtung
     des
falschen
Flughafens etc.) völlig übermüdet am Schalter eintraf, stand meine Kollegin, deren Asitoasterbräune an diesem Morgen ins Kalkblasse
     tendierte, bereits davor und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Außer uns beiden war kein Fluggast zu sehen, aber
     an den benachbarten Check-ins drängelten sich Sandalen- und YSL-T-Shirt-Träger, die unglaubliche Gepäckmengen mit den Füßen
     vor sich herschoben und laut durcheinanderquatschten. Ich warf einen Blick auf die Abflugzeiten und stutzte. Ihre Maschinen
     gingen erst um acht oder neun.
    Ich stellte meinen Rucksack ab und die Laptoptasche daneben. Mit meiner Armani-Jeans und dem schwarzen »Radiohead«-T- Shirt kam ich mir irgendwie overdressed vor. Neben Nina Blume standen zwei gewaltige, teure Hartschalenkoffer, auf denen eine Kosmetiktasche,
     zwei Handtaschen und ein durchsichtiger Beutel lagen. Sie trug ein rosafarbenes »Das Leben ist kein Ponyhof«- Shirt , was so verteufelt out war, dass es schon wieder als cool durchging, und dazu die unvermeidliche Wurstpellenhose, dieses
     Mal in schillerndem Türkis. Bimbo lag neben den Koffern und hechelte. Es roch nach Schweiß, Reinigungsmitteln und dem Rauch,
     der durch die Türen hereinwehte – draußen standen Dutzende Touristen und sogen an Zigaretten, als wären es Sauerstoffflaschen
     und sie selbst Tiefseetaucher.
    |34| »Morgen«, sagte ich und versuchte nett zu klingen, aber meine Stimme krächzte uhrzeitbedingt etwas. »Sind wir die Ersten?«
    Sie schüttelte den Kopf und schob dann ihre Porsche-Sonnenbrille in die Stirn. »Nein, die Letzten.« Ihre Augen waren schmal
     und leicht gerötet. Es sah aus, als hätte sie noch weniger geschlafen als ich.
    »Die Letzten? Ich fasse es nicht.«
    »Du wirst dich darauf einstellen müssen. Pauschaltouristen sind Frühaufsteher. Um einen guten Platz im Flieger, am Pool oder
     am Buffet zu ergattern, hüpfen sie notfalls mitten in der Nacht aus dem Bett.«
    »Oha.«
    »Ich hab ein bisschen recherchiert.« Sie verzog das Gesicht. »Wir sollten einchecken«, schlug ich vor.
    Wir bekamen zwei Plätze, die
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