Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist
Autoren: T Liehr
Vom Netzwerk:
Fluggäste. Wenig später hob die Maschine ab, begleitet |37| von einem sehr lauten, spitzen Schrei, der von vorne kam. Nina Blume. Meine Nachbarinnen lachten.
    »Da hat wohl jemand Angst vorm Fliegen«, sagte der Fensterplatz. Ich grinste.
    Ein paar Minuten später machte es ›Plöng‹, und die Rauchverbotszeichen erloschen. Wie auf Kommando zogen alle Mitreisenden
     im hinteren Teil der Maschine Kippen aus den Taschen, nahezu synchron war das Geräusch von zwei Dutzend Feuerzeugen zu hören,
     und als ich mich zur Seite drehte, drückte Frau Fensterplatz bereits ihre erste Fluppe im Aschenbecher aus.
    »Auch eine?«, fragte sie. Ich nickte lächelnd und ließ mir eine Pall Mall 100 geben. »Ich heiße Inge«, sagte die Spenderin.
     »Und ich Herta«, ergänzte der Zwilling neben mir. »Wir sind Zwillinge«, sagte sie dann noch.
    »Nikolas«, stellte ich mich vor.
    »Aber nicht am 6.12. geboren, oder?«, lachte Inge.
    Ich schüttelte den Kopf und zwang mich zur Ruhe. Ob mir Blödeleien über meinen Namen auf den Sack gingen oder nicht, hing
     sehr von meiner Tagesform ab, und meine heutige war grenzwertig. Aber die beiden waren mir irgendwie sympathisch. Ich zwinkerte.
    »Ich brauche auch eine«, sagte jemand auf der Gangseite zu mir. Da stand Nina Blume, die sich beidhändig an meiner Rückenlehne
     festhielt und aussah, als müsse sie gleich zu einer Amputation wesentlicher Körperteile. Ihre Augen waren rot unterlaufen,
     ihre Gesichtstönung bewegte sich abseits aller Farbskalen. Inge beugte sich über Herta und mich hinweg, um Nina eine Zigarette
     zu reichen, wobei ich nicht umhinkam, in Inges Ausschnitt zu blicken, schlicht weil er mein gesamtes Gesichtsfeld einnahm.
     Meine Assoziationen in diesem Augenblick waren ziemlich kunterbunt; sie reichten von Tierwelt-Vergleichen bis hin zu Gedanken
     mit leicht ödipalen Komponenten. Noch nie in meinem Leben hatte ich so unglaublich große Brüste gesehen. Allein die linke
     Brustwarze, die |38| ich in ganzer Pracht betrachten musste, war so groß wie jede einzelne von Silkes Arschbacken. Ich zwinkerte, als sich Inge
     zurückzog.
    »Das ist Nina Blu… äh. Nina. Meine Frau«, sagte ich, noch immer das Bild von Inges Brust vor dem geistigen Auge.
    Die Zwillinge kieksten.
    »Wie nett!«, krähte Herta. »Vielleicht können wir ja mal was zu viert unternehmen auf Canaria?«
    Nina zog an der Fluppe und starrte dabei Herta an, als wäre sie es, die die Amputation vornehmen würde.
    »Wie geht’s dir, Schatz?«, fragte ich deshalb, bevor sie den Gedanken aussprechen konnte, der ihr auf der Stirn geschrieben
     stand.
    »Scheiße. Wenn es eine Notbremse gäbe, würde ich sie ziehen. Und das Schlimmste kommt ja erst noch.«
    »Die Landung«, trällerte Inge.
    »Sie sagen es.«
    Und dann war Nina Blume plötzlich verschwunden. Stattdessen befand sich ein hüfthoher, graubrauner Kasten neben mir, auf dem
     Getränkeflaschen und mehrere Kannen standen. Es roch nach frischem Kaffee. Ja, Kaffee!
    Während sich Ninas deutlich hörbarer Protest in den Nichtraucherbereich entfernte, schätzte ich ab, wann ich Kaffee bekäme.
     Es würde dauern. Die Qualmfraktion hinter mir bestellte Gin-Tonics und Whiskey-Colas noch und nöcher – morgens um kurz nach
     acht! Ich stöpselte die Ohrhörer ein und tickerte mich zu
Insomniac
durch. Herta tippte mir auf die Schulter. Ich gab ihr die Hörer und startete das Album. Sie zwinkerte mir zu und lehnte sich
     zurück. Kurz darauf beugte sie sich wieder vor, nahm die Stöpsel heraus und reichte sie mir zurück.
    »Interessant«, kommentierte sie. »Aber die
Randfichten
find ich besser.«
    »Die habe ich leider nicht bei.«
    |39| »Was möchten Sie trinken?«, fragte die Stewardess von der anderen Seite.
    »Kaffee!«, rief meine Sitzreihe im Chor. Wir lachten. Die Zwillinge hatten was. Im Gegensatz zum Kaffee, den wir kurz darauf
     bekamen. Der hatte bestenfalls was Homöopathisches. Herta holte eine grüne Schachtel hervor, als wir am Kaffee nippten.
    »Wollen Sie ein After Eight?«, fragte sie und hielt mir die Packung unter die Nase.
    »Wollen Sie mich heiraten?«, fragte ich zurück. »Für After Eight könnte ich morden.« Das stimmte tatsächlich. Ich war süchtig
     nach dem Zeug. Meine längst verstorbene Oma mütterlicherseits hatte die gemeinsamen sonntäglichen Mittagessen mit einem einzelnen
     Täfelchen für jeden gekrönt, und seitdem gierte ich danach.
    »Dann nehmen Sie, so viel Sie wollen«, sagte Herta, wegen meines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher