Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Autoren: Christiane Weidemann
Vom Netzwerk:
Lehrer und Schüler hintergründig porträtiert und Anekdoten aus dem Bauhaus zum Besten gibt.
    Zum Beispiel die Meisterratssitzungen, auf denen es nicht selten hoch hergeht, wenn so verschiedene Persönlichkeiten und Interessen aufeinandertreffen. Während sich der »Breitohrclown« – unverkennbar der Maler Oskar Schlemmer – mit einigen anderen Puppen streitet, schwebt eine Figur mit gekreuzten Beinen hoch über dem Geschehen und beobachtet das Gezeter seelenruhig von einer Wolke aus. Die Figur hat große
braune Augen, trägt Bart, Mütze und einen orientalisch anmutenden Umhang … ist das nicht der Stoff von Pauls ehemaligem Anzug? Als die Diskussion auf der Bühne ihren Höhepunkt erreicht, tönt es von oben: »Ohne Arbeit kein Knüllschnitt – ohne Knüllschnitt keine Freude am Tabak – ohne Tabak kein duftiges Qualmen.« Schallendes Gelächter im Publikum.
    Paul schmunzelt. Natürlich hat er sich erkannt. Höchst selten verspürt er das Bedürfnis, vor versammelter Kollegenschaft seine Meinung zu verkünden. Lieber lauscht Paul, was die anderen zu sagen haben, um dann im Stillen abzuwägen, was zu tun ist. Schon so manches Mal hat der »Bauhaus-Buddha«, wie er respektvoll von Meistern und Schülern genannt wird, mit seiner ruhigen, humorvollen Art eine brenzlige Situation gerettet. Das letzte Mal – wie von Felix in Szene gesetzt –, indem er ohne mit der Wimper zu zucken den Werbetext seiner Tabakdose vorgelesen hat.

    Bild 18
    Während seiner Bauhauszeit experimentiert Paul mit geometrischen Formen und setzt die einzelnen, durch leuchtende Farben betonten Elemente zu einem Gesicht zusammen.

    Felix’ Aufführung ist zu Ende, die Stühle werden beiseite geräumt, Zeit zu tanzen! Ausgestopfte Seidenpapierleichen hängen von der Decke – das Motto der heutigen Party: »Gespenster«. Die Bauhäusler waren wie immer kreativ: überall blinken elektrische Augen hinter wallenden Gewändern, und Fledermäuse flattern vorbei.
    Während Schüler und Lehrer ausgelassen feiern, sucht sich Paul etwas abseits ein gemütliches Plätzchen. Immer mal wieder gesellt sich der eine oder andere Bauhäusler dazu, verwickelt ihn in ein Gespräch oder amüsiert sich einvernehmlich mit Paul über das wilde Völkchen.
    Je später es wird, desto weniger hört man Paul sagen. Er lässt die Glut seiner Pfeife erlöschen und steckt sie schließlich in die Jackentasche. Ihm ist ein Einfall gekommen, der unbedingt noch auf die Leinwand gebracht werden muss, bevor diese Nacht zu Ende geht.
    Umzug nach Dessau
    Fünf Jahre arbeitet Paul bereits am Bauhaus, als die schöpferische Zeit urplötzlich ein Ende hat. Eine erste Welle nationalsozialistischer Ideologie schwappt nach Weimar. Den Nazis sind die Ideen der Bauhäusler nicht geheuer. Sie streichen die finanziellen Zuschüsse und entziehen der Hochschule damit die Grundlage. Das Bauhaus Weimar muss seine Türen schließen.
    Paul kennt sich mit Neuanfängen ja schon aus. Und diesmal ist es auch nur ein halber Neubeginn, denn das Energiebündel Gropius hat nichts unversucht gelassen, um seine Schule an einem anderen Ort weiterführen zu können. Sein Tatendrang wird belohnt: Noch im selben Jahr übernimmt das liberale Dessau das gesamte Bauhaus.
    Pauls Pendelstrecke lautet von nun an Weimar – Dessau, bis er im Sommer 1926 in eines der Häuser ziehen kann, die extra für die Bauhausmeister geschaffen wurden: wie an einer Perlenschnur aufgereihte, weiße Flachdachbauten mit großen Glasflächen, die nicht nur in Dessau für Aufsehen sorgen. Je zwei Meister teilen sich ein Doppelhaus – Paul mit Wassily Kandinsky, László Moholo-Nagy mit Lyonel Feininger und Georg Muche mit Oskar Schlemmer.

    Bild 19
    Paul und Lily bei einem ihrer ausgiebigen Spaziergänge in den Wäldern von Dessau, 1933

    Natürlich ist in den mehrstöckigen Häusern auch Platz für Frauen und Kinder, für Lily und Felix. Und überhaupt, Paul empfindet das neue Wohnen samt Einbauschränken und großzügig geschnittenem Atelier als ungewohnten Luxus. Walter Gropius bewohnt ein Einzelhaus, schließlich ist er der Direktor. Neben den Meisterhäusern hat er auch das neue Schulgebäude mit Mensa, eigener Theaterbühne und Studentenunterkünften entworfen, das in der Architektur neue Maßstäbe setzt: ohne überflüssigen Schnickschnack, funktional, klar gestaltet und hell durch die verglaste Fassade des Werkstattbereichs.

    Die Meisterhäuser liegen in einem kleinen Kiefernwäldchen, von wo aus Paul die Gegend in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher