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Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Autoren: Christiane Weidemann
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kommt der Geistesblitz, er springt auf, steuert schnurstracks auf eines der Bilder zu und unternimmt die nächsten Pinselstriche.

    Bild 14
    Der Zauberer im Malerkittel in seinem Atelier in Weimar, 1924

    Wenn Paul vorher oft traumverlorene Landschaften malte, arbeitet er nun an Bildern mit bunten geometrischen Formen, um die Wirkung von Farben zu erproben. Vielleicht lassen sich daraus Gesetze ableiten, die er seinen Studenten erklären kann?

    Bild 15
    Als Lehrer am Staatlichen Bauhaus in Weimar erforscht Paul systematisch die Wirkung von Farben, unter anderem mit einer Reihe bunter Quadratbilder.

    Auf einer anderen Staffelei experimentiert er mit seiner selbst entwickelten Technik, der Ölfarbezeichnung. Ein Jahr zuvor hatte Paul mit Feder und Tusche vier seltsam drahtige Vogelwesen auf einem Ast gezeichnet. Er zieht das »Konzert auf dem Zweig« aus einem Stapel Bilder hervor und erinnert sich, was ihn damals auf die Idee gebracht hatte: ein Spielautomat in der Musikabteilung des Deutschen Museums in München. Mit einer Kurbel an diesem Automaten konnte man die Vögel in Bewegung versetzen – und prompt begannen sie zu flattern, öffneten ihre Schnäbel und zwitscherten in den verschiedensten Tonlagen.

    Bild 16
    Der Musikautomat im Deutschen Museum in München hat es Paul angetan: ausgestopfte Vögel, die nach dem Aufziehen die Schnäbel aufreißen, singen und flattern – das muss er einfach festhalten!

    Paul nimmt ein mit schwarzer Ölfarbe bestrichenes Zwischenblatt und paust die alte Zeichnung mit den singenden Vögeln auf eine neue Unterlage, malt ihnen statt eines Asts
eine Spindel samt Kurbelwelle unter die Füße und schreibt »Zwitscher-Maschine« in die obere rechte Ecke des Bildes. Schließlich zaubert er noch allerlei hellblaue und rosafarbene Flächen aufs Papier – und fertig ist das neue Farbblatt.

    Bild 17
    Mit ein bisschen Farbzauberei ist aus dem »Konzert auf dem Zweig« Bild 16 eine bunte, kurbelbetriebene »Zwitscher-Maschine« geworden.

    So manches in Pauls Atelier in der Dachkammer des Bauhauses erinnert an Zauberei. (Schließlich liegt der Kunst bei aller Lehre und allem Handwerk ja auch ein tiefes Geheimnis zugrunde … ) Etwa der Geruch von Farben, Lacken und Spiritus, der mit Tabakrauch und Kaffeeduft eine eigentümliche Mischung eingeht. Überall stehen Farbtuben und Fläschchen mit bunten Pulvern herum, auf dem Fenstersims sind in Gläsern lange und kurze Pinsel aufgereiht, auf den Tischen liegen Spachteln, Zeichenfedern, Pinzetten und Messer aller Art. Dazwischen Tausende von anderen Dingen, die Pauls Fantasie anregen – Gräser, Moose, Muscheln, Steine, Schmetterlingsflügel, seltsam geformte Pflanzenwurzeln oder bunte Blätter, die ihm auf seinen täglichen Wanderungen durch den Ilmpark vor die Füße segeln.
    Der Bauhaus-Buddha
    Nachdem Paul das erste Jahr noch zwischen München und Weimar gependelt ist, wohnt er nun in einer wunderschön gelegenen Wohnung oberhalb des Ilmparks, gemeinsam mit Lily, Felix und Kater Fritzi. Jeden Morgen um acht wird der Park durchquert. Seit kurzem begleitet ihn Felix, der mittlerweile Schüler am Bauhaus ist. Paul deutet auf Blumen und Vögel und erfreut sich jedenTag aufs Neue daran, wie sich die Ilm durch den Park schlängelt. Vor Goethes Gartenhaus am östlichen Hang macht er Halt, um mit schwingendem Spazierstock ein Gedicht des verehrten Dichters zu rezitieren:
    »Übermütig sieht’s nicht aus,
hohes Dach und niedres Haus.
Allen die daselbst verkehrt,
ward ein guter Mut beschert.
Schlanker Bäume grüner Flor,
Selbstgepflanzter, wuchs empor.
Geistig ging zugleich alldort
Schaffen, Hegen, Wachsen fort.
Dieser alte Weidenbaum
steht und wächst als wie im Traum.
Sah des Fürstendaches Gluten,
sieht der Ilme leises Fluten.«
    Felix ist nun knapp vierzehn Jahre alt und arbeitet in der Tischlereiwerkstatt. Obwohl er damit jüngster Studierender am Bauhaus ist, finden seine Mitstudenten, er sei ja wohl doch schon ein bisschen zu alt, um sich noch immer für das Puppentheater zu begeistern. Felix stört das Gerede nicht im Geringsten. Endlich kann er für Pauls Puppen den gebührenden Rahmen schaffen: ein richtiges, frei stehendes Bühnenhäuschen, mit Beleuchtung, mehreren Bühnen und allem Drum und Dran. Felix’ erste Vorstellung als Theaterdirektor, Regisseur und Figurenspieler ist der Höhepunkt der abendlichen Bauhausparty. Wahre Begeisterungsstürme erntet er! Besonders die Nichtbetroffenen klopfen sich auf die Schenkel, wenn er
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