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Pastetenlust

Pastetenlust

Titel: Pastetenlust
Autoren: Pierre Emme
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Verzweiflung die Augen, „bevur i vaduast.“
    Wieder musste Palinski lachen. Dann gab er Sonja, der in
traditionellem Schwarz-Weiß der Serviererinnenzunft gekleideten Seele des
Hauses ein Zeichen. Der war das Ritual geläufig, das auf ein Viertel
aufgespritzte Achtel Weißwein schon vorbereitet und rasch serviert. „Warums den
Obalehra nennan und net Schnorraking, is ma a Rätsel“, murrte sie im
Vorbeigehen.
    „Wast, wos i ma denk“, Brinek lud sich nie einfach nur auf
ein Getränk ein, sondern lieferte im Gegenzug immer auch erfrischende Einblicke
in sein Seelenleben und geizte nicht mit guten Ratschlägen. Schließlich wollte
er sich ja nichts schenken lassen.
    „I deng ma, doss do a Menge Leid bei der Apressung mitschneidn
wean woin.“ Nachdenklich schüttelte er den Kopf. „Und waun i an um d’ Eckn
bringan woit, tät eam mit vagiftete Schwedenbombm vom ›Bigeni‹ fittan. Kaufn,
vagift und daun fittan, in der Reinfoige.“
    „Do kaunst recht ham.“ Die These des Oberlehrers hatte
tatsächlich etwas für sich. Das war wirklich eine ideale Gelegenheit für
Trittbrettfahrer und Leute, die eine gute Gelegenheit suchten, um alte
Rechnungen diskret zu begleichen, dachte Palinski.
    „Jetzt muaß i da wos erzön.“ Und er berichtete Brinek und
einer wachsenden Zahl an neugierigen Ohren von der Leiche vor dem Frühstück.
Nicht, weil er ein Schwätzer mit Geltungsdrang war, sondern aus Erfahrung
wusste, dass ihm aus Volkesmunde schon häufig originelle, manchmal sogar
zielführende Anregungen für die Lösung seiner erfundenen Kriminalfälle
zugeflogen waren. Warum nicht auch bei diesem, seinem ersten echten Fall?
Immerhin basierten ja eine Menge Verbrechen auf literarischen Vorbildern und
umgekehrt. Zumindest vermutete Palinski das und hoffte, diese These mit Hilfe
seiner Datenbank ›Crimes – facts and ideas‹ eines Tages auch beweisen zu
können.
    Die Nachricht von Jürgen Lettenbergs Tod und dem Fundort der
Leiche knapp 200 Meter vom Kaffeehaus entfernt, schlug erwartungsgemäß ein wie
ein, na ja, zumindest wie ein Blitz in den Heustadl. Palinski wurde wirklich
nicht enttäuscht. Er nahm sein ständig präsentes Notizbuch aus der Tasche und
verbrachte die nächste Stunde damit, die originellsten Äußerungen der
anwesenden Experten für die Nachwelt zu erhalten.

     
    *

     
    Kriminalgeschichten haben mich schon immer
fasziniert. Bereits im zarten Alter von fünf Jahren fesselte mich meine
Großmutter mit Erzählungen über Einbrüche, Mord und Totschlag. Angeblich alles
Fälle, mit denen ihr zweiter Mann beruflich zu tun gehabt haben soll. Später
habe ich erfahren, dass der vermeintliche Superdedektiv tatsächlich als Portier
im Polizeipräsidium beschäftigt gewesen war. Das hat mich aber nicht wirklich
enttäuscht, sondern lediglich meine Hochachtung vor Omis Phantasie in
Bewunderung umschlagen lassen. Wahrscheinlich ist es ihrem Anteil an meiner
genetischen Ausstattung zu verdanken, dass ich heute genau das tue, was ich
tue.

    Schon in der Mittelschule habe ich begonnen, fast alle
Klassiker wie Agatha Christie, Edgar Wallace, Dashiell Hammett und Raymond
Chandler zu lesen, den begnadeten Verschwörungstheoretiker Robert Ludlum sowie
den exzellenten Romancier Grisham verschlungen und kaum eine Verfilmung dieser
Vorlagen versäumt. Und heute noch warte ich auf die Neuerscheinungen von Donna Leon
und Henning Mankell wie die Kids auf den neuen Harry Potter.

    Schon früh hat es mich
dazu gedrängt, diese Vielfalt an Motiven, Mordwaffen, -plänen und -abläufen,
die unmittelbar und mittelbar betroffenen Personen, sowie die für die Lösung
wesentlichen Hinweise und alle sonstigen Zutaten zu einem logisch, funktionell
und milieuspezifisch überzeugenden Verbrechen zu analysieren. Mit den alten
Karteikarten war das ein zwar mühsames, aber durchaus vergnügliches Hobby. Mit
dem PC, den ich mir nach meinem zwangsweisen Abschied aus der Welt der
Unselbständigen zugelegt habe, ein Kinderspiel mit hohem Spaßfaktor. Von dem
ich seit mehr als zwei Jahren auch recht gut leben kann. Und ein finanzieller
Quantensprung steht unmittelbar bevor. In zwei Tagen habe ich in Frankfurt ein
Gespräch mit einer Produktionsfirma, die auf Krimis und Serien spezialisiert
ist und mit allen namhaften, deutschsprachigen Sendern zusammenarbeiten. Mit
dem in Aussicht stehenden Beratervertrag könnte ich mich end lich meinem
Lebenstraum widmen. Dem großen
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