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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt
Autoren: Agatha Christie
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Miss Neumann sprach jetzt mit mehr Selbstverständlichkeit für ihn.
    «Wir können keine Atomwaffen einsetzen, keinen Sprengstoff, kein Gas, keine Chemie. Aber Ihr Projekt, Projekt Benvo, könnten wir nutzen.»
    Stille herrschte. Und dann kamen da wieder diese seltsamen verzerrten Laute aus dem Mund von Professor Shoreham.
    «Er sagt», übersetzte Miss Neumann, «Benvo wäre erfolgreich einsetzbar unter den Umständen, in denen wir uns gegenwärtig befinden –»
    Der Mann im Sessel hatte sich ihr zugewandt und sagte etwas zu ihr.
    «Er möchte, dass ich es Ihnen erkläre», sagte Miss Neumann, «an Projekt B. später Projekt Benvo genannt, hat er lange Jahre gearbeitet, hat es aber letzten Endes aus persönlichen Gründen aufgegeben.»
    «Weil er sein Projekt nicht wirklich realisieren konnte?»
    «Nein, er war nicht gescheitert», sagte Lisa Neumann. «Wir sind nicht gescheitert. Ich habe mit ihm an diesem Projekt gearbeitet. Er hat es aus ganz bestimmten Gründen aufgegeben, aber gescheitert ist er nicht. Er hatte Erfolg. Er war auf dem richtigen Weg, hat es entwickelt, in verschiedenen Laborexperimenten getestet, und es hat funktioniert.» Sie wandte sich wieder Professor Shoreham zu, machte ein paar Handbewegungen, berührte ihre Lippen, das Ohr, den Mund nach einem merkwürdigen Code.
    «Ich habe ihn gefragt, ob ich erklären soll, wie Benvo funktioniert. Und er möchte wissen, wie Sie davon erfahren haben.»
    «Wir haben darüber von einer alten Freundin von Ihnen gehört. Nicht von Admiral Blunt, er konnte sich nicht mehr an viel erinnern, sondern von der anderen Person, mit der Sie einmal darüber gesprochen haben, Lady Matilda Cleckheaton.»
    Wieder drehte sich Miss Neumann ihm zu und sah ihm auf die Lippen. Sie lächelte schwach.
    «Er sagt, er dachte, Matilda sei schon vor Jahren gestorben.»
    «Sie ist durchaus noch am Leben, und sie hatte die Idee, dass wir uns Professor Shorehams Entdeckung anhören sollten.»
    «Professor Shoreham wird Ihnen die Hauptpunkte dessen, was sie wissen wollen, erklären. Doch er muss Sie warnen, dass dieses Wissen völlig wertlos für Sie ist. Papiere, Formeln, Berichte und Nachweise dieser Versuche, alles wurde vernichtet. Aber da Ihre Fragen nur mit einer allgemeinen Beschreibung von Projekt Benvo zu befriedigen sind, kann ich Ihnen genau erklären, worin es besteht. Die Anwendung und der Zweck von Tränengas zur Kontrolle einer aufrührerischen Menge sind Ihnen bekannt, bei gewalttätigen Demonstrationen und so weiter. Es löst einen Weinkrampf aus, schmerzhafte Tränen und Schleimhautentzündungen.»
    «Und das hier ist etwas Ähnliches?»
    «Nein, es ist nicht im Mindesten ähnlich, aber es kann demselben Zweck dienen. Die Wissenschaftler haben sich etwas einfallen lassen. Man kann nicht nur die Grundgefühle und -reaktionen der Menschen ändern, sondern auch geistige Charakteristika. Man kann den Charakter eines Menschen verändern. Die Eigenschaften eines Aphrodisiakums sind wohlbekannt. Sie führen zu einem Zustand sexuellen Begehrens, es gibt verschiedene Drogen, Gase oder Drüsenoperationen – jedes dieser Dinge kann zu einer Veränderung der Geisteskraft, gesteigerter Energie wie etwa bei Veränderungen an der Schilddrüse führen. Professor Shoreham möchte Ihnen mitteilen, dass es einen bestimmten Prozess gibt – er wird Ihnen jetzt nicht sagen, ob es Drüsen betrifft oder ein Gas, das man herstellen kann, aber es gibt etwas, das den Menschen in seiner ganzen Lebenseinstellung verändern kann – in seinen Reaktionen auf andere Menschen und das Leben im Allgemeinen. Er kann sich in einem Zustand mörderischer Wut befinden, er kann krankhaft gewalttätig sein, doch durch den Einfluss von Projekt Benvo verwandelt er sich völlig in jemand anders. Er wird – es gibt nur eine Bezeichnung dafür, die schon im Namen liegt, er wird benevolent, gütig. Er möchte anderen Gutes tun. Er strahlt Freundlichkeit aus. Er verabscheut es, anderen Schmerzen zu bereiten oder Gewalt anzuwenden. Benvo kann über eine große Fläche verteilt werden, es kann auf Hunderte, Tausende von Menschen einwirken, wenn es in ausreichenden Mengen hergestellt und erfolgreich verteilt wird.»
    «Wie lange hält die Wirkung an?», fragte Oberst Munro. «Vierundzwanzig Stunden? Länger?»
    «Sie verstehen nicht», sagte Miss Neumann. «Es ist von Dauer.»
    «Dauerhaft? Sie verändern die Natur eines Menschen, Sie haben einen Bestandteil seines Daseins verändert, natürlich einen physischen
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