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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa
Autoren: Agatha Christie
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also glauben, dass die Stelle Ihnen zusagen könnte, betrachten wir das als ausgemacht. Wir reisen nächste Woche ab. Das genaue Datum werde ich Ihnen noch mitteilen, und ich nehme an, dass Sie gern einen kleinen Vorschuss hätten, um sich auszustatten.«
    »Ich danke Ihnen sehr. Das wäre sehr freundlich von Ihnen.«
    Sie waren beide aufgestanden. Plötzlich sagte Mr Allaby unbeholfen: »Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber… ich meine, ich wünschte… ich wüsste gern… ich meine, geht es Ihrem Hund gut?«
    Zum ersten Mal sah Joyce ihn an. Die Farbe stieg ihr ins Gesicht, ihre blauen Augen wurden fast schwarz. Sie sah ihm unverwandt ins Gesicht. Sie hatte ihn für einen älteren Herrn gehalten, aber tatsächlich war er gar nicht so alt. Ergrauendes Haar, ein angenehmes, wettergegerbtes Gesicht, leicht hängende Schultern, braune Augen und einen Hauch von der schüchternen Freundlichkeit eines Hundes. Er sah wirklich ein bisschen wie ein Hund aus, dachte Joyce.
    »Oh, Sie sind es«, sagte sie. »Mir ist aufgefallen… ich habe mich gar nicht bei Ihnen bedankt.«
    »Keine Ursache. Habe ich nicht erwartet. Ich wusste, wie Sie sich fühlen. Wie geht es dem armen Kerl?«
    Joyce traten die Tränen in die Augen. Sie strömten ihr über die Wangen. Nichts auf der Welt hätte sie zurückhalten können.
    »Er ist tot.«
    »Oh!«
    Mehr sagte er nicht, aber für Joyce gehörte dieses Oh! zu den tröstlichsten Worten, die sie je vernommen hatte. In diesem Oh lag alles, was nicht in Worte zu fassen war.
    Nach ein oder zwei Minuten sagte er stockend: »Ich hatte auch mal einen Hund. Er ist vor zwei Jahren gestorben. Ich hatte damals Menschen um mich, die nicht verstehen konnten, dass man darum so ein Aufhebens macht. Es ist nicht schön, wenn man einfach weitermachen muss, als wäre nichts passiert.«
    Joyce nickte.
    »Ich weiß das…«, sagte Mr Allaby.
    Er nahm ihre Hand, drückte sie fest und ließ sie dann wieder los. Er ging aus dem Zimmer. Joyce folgte ihm eine oder zwei Minuten später und besprach einige Formalien mit der damenhaften Person. Als sie nach Hause kam, trat ihr auf der Türschwelle Mrs Barnes mit jener Freude an der Trübsal entgegen, die für ihre Schicht typisch ist.
    »Der Leichnam von dem armen kleinen Hündchen ist nach Hause gekommen«, verkündete sie. »Er liegt oben in Ihrem Zimmer. Ich habe mit Barnes geredet, und er hat sich bereit erklärt, hinten im Garten ein kleines Loch zu graben…«

Magnolienblüten

I
     
    V incent Easton stand unter der großen Uhr am Bahnhof Victoria Station und wartete. Ab und an schaute er unbehaglich zu ihr hinauf. Bei sich dachte er: »Wie viele Männer hier wohl schon auf eine Frau gewartet haben, die nicht gekommen ist?«
    Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn. Und wenn Theo nun nicht kam, wenn sie es sich anders überlegt hatte? Das war durchaus möglich bei einer Frau. War er sich ihrer sicher – war er sich ihrer je sicher gewesen? Was wusste er eigentlich über sie? Hatte sie ihn nicht von Anfang an verwirrt? Es war, als wären da zwei Frauen gewesen: jenes liebenswerte, lachende Wesen, das Richard Darrells Frau war, und die andere, still und geheimnisvoll, die an seiner Seite im Garten von Haymer’s Close spazieren gegangen war. Wie eine Magnolienblüte – so dachte er an sie, vielleicht weil sie ihren ersten stürmischen, zweifelnden Kuss unter dem Magnolienbaum getauscht hatten. Die Luft war schwer gewesen vom süßen Duft der Blüten, und ein, zwei Blütenblätter waren samtweich und duftend herabgeschwebt und auf dem nach oben gewandten Gesicht liegen geblieben, das ebenso samtig und weich und still war wie sie. Magnolienblüten – fremd, duftend und geheimnisvoll.
    Das war vor vierzehn Tagen gewesen – genau einen Tag, nachdem er sie kennengelernt hatte. Und jetzt stand er hier und wartete auf sie, damit sie für immer bei ihm blieb. Einmal mehr durchzuckte ihn der Argwohn. Sie würde nicht kommen. Wie hatte er das jemals glauben können? Sie musste so viel aufgeben. Bei der schönen Mrs Darrell konnte so etwas nicht still und heimlich über die Bühne gehen. Es würde zum Stadtgespräch werden, zu einem weitreichenden Skandal, der nie ganz in Vergessenheit geraten würde. Es gab bessere, schicklichere Methoden – eine diskrete Scheidung zum Beispiel.
    Aber daran hatten sie nicht eine Sekunde lang gedacht – zumindest er hatte nicht daran gedacht. Hatte sie?, fragte er sich. Er kannte ihre Gedanken nicht, hatte sie nie gekannt. Beinah
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