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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa
Autoren: Oswald Levett
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eine
derartige Truppe bringe er überhaupt nicht mehr an
den Feind. Er bat, Seine Exzellenz wolle auf exemplarische
Bestrafung des Schuldigen dringen.
    Der Divisionär ließ den Kompaniekommandanten
seinen Bericht in meiner Gegenwart erstatten.
    »Sie haben gehört, Herr Hauptmann«, wandte er
sich an mich. »Ich hoffe, daß Sie diesmal wissen werden,
was Sie zu tun haben. Wenn nicht . . .« Er schloß
mit einem vielsagenden Schweigen.
    Diesmal war ich fast geneigt, Order zu parieren.
Nicht aus Gehorsam, sondern aus Verdrossenheit.
    Vier Jahre dauerte nun der Krieg, und ein Ende
schien nicht abzusehen. Zwei Jahre saß ich schon in
dieser trostlosen Wildnis, ohne Urlaub, ohne Hoffnung
auf Ablösung. Die besten Mannesjahre verstrichen,
sinnlos und nutzlos. Nichts gab es, was mich hätte erfreuen,
woraus ich hätte neuen Lebensmut schöpfen
können. Keine befriedigende Arbeit, kein Umgang mit
gleichgestimmten Menschen, keine Frauen.
    Meine einzige Freude waren die Briefe meiner
Freundin Désirée. Als ich verwundet vom Felde nach
Wien kam, hatte ich sie kennengelernt. Sie war Krankenschwester
beim Bahnhofs-Labedienst. So sah ich sie
das erstemal. Mir bleibt der Tag und bleibt der Anblick
unvergeßlich.
    Ich kam geradewegs vom Felde, mit einem zerschossenen
Bein und ein paar Granatsplittern im Leibe. Hintermir lag die Hölle der Isonzoschlacht, lagen Tod
und Grauen. In der strahlenden Heiterkeit des Frühlingsmorgens,
in dem friedlichen Getümmel der Bahnhofshalle
fühlte ich mich wie im Paradiese.
    Und nun neigte sich aus diesem Himmelsreiche das
lieblichste Engelsantlitz mir zu: lächelnd, tröstend, helfend.
    Es mochte wohl ein sonderbarer Gegensatz gewesen
sein, wie ich da vor ihr stand. Hager, grobknochig, mit
struppig-wildwachsendem Barte; blutgetränkt der
Verband und die Uniform schmutzstarrend — wie
ein Abgesandter der Unterwelt vor einer lichten Gottheit.
    Minutenlang starrte ich sie an, entzückt und verwirrt,
bis mich ihre holdselige Verlegenheit und die
spöttischen Blicke der Umstehenden aus meiner Versunkenheit
erweckten.
    Eine glückliche Fügung wollte es, daß ich in einem
der Wiener Kriegsspitäler verbleiben durfte. Fiebernd
vor Ungeduld wartete ich auf die erste sich bietende
Gelegenheit, das Spital heimlich zu verlassen, um die
schöne Krankenschwester wiederzusehen. Aber die Bewachung
war so streng, daß fast zwei Wochen vergingen,
ehe ich entwischen konnte.
    Ich fand sie nicht. Sie war vom Bahnhofs-Labedienst
versetzt worden, unbekannt wohin.
    Ich ließ nicht ab. Mit schwerer Mühe erkundete ich
ihre neue Dienststelle und suchte sie dort auf.
    Selbstverständlich hatte sie mich völlig vergessen
und erkannte mich gar nicht wieder, zumal ich meinen
wilden Bart säuberlich rasiert und mich in eine funkelnagelneue
Uniform gesteckt hatte.
    Unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwande präsentierteich mich ihr. Schon wollte sie mich kurz abweisen,
da faltete ich halb unbewußt die Hände.
    Vielleicht rettete mich diese Handbewegung. Es gibt
Gesten, die Schicksal bedeuten.
    Meine schöne Partnerin hielt inne, umfaßte mich
mit einem prüfenden Blick und schien zwischen Ärger
und Lachen zu schwanken. Aber meine Bestürzung
war so ungeheuchelt, meine Verlegenheit und Ungeschicklichkeit
so drollig, daß die Belustigung den Unmut
überwand. Sie willigte ein, mich wiederzusehen.
    Nun aber hatte ich sie schon über ein Jahr nicht gesehen.
Die wenigen Monate, welche ich als heilungsbedürftig
in Wien bleiben durfte, waren nur allzu schnell
verstrichen. Zwar war ich felddienstuntauglich erklärt
und zum Auditoriate versetzt worden; aber ich mußte
wieder fort, diesmal nach Albanien.
    Désirées Nachrichten wurden immer unpünktlicher
und seltener. Anfangs brachte mir jede Woche den versprochenen
Brief, jetzt ließ er bisweilen monatelang
auf sich warten. War daran wirklich nur die Unverläßlichkeit
der Feldpost schuld, gingen wirklich so viele
Briefe verloren — wie Désirée behauptete?
    Zwei Monate war ich schon ohne ein Lebenszeichen
und verzehrte mich in Sehnsucht und Sorge. In dieser
Gemeinschaft war ich nun einmal der Schwächere, weil
ich mehr liebte. Ich war hier abgeschieden von aller
Weiblichkeit, war bald vierzig und hart am Erlöschen
meiner männlichen Anziehungskraft. Sie aber war eine
Schönheit von kaum zwanzig Jahren, als Pflegerin in
einem Offiziersspital stets umdrängt von einem
Schwarm Bewerber.

    I n dieser Stimmung fand
mich der neue Straffall. Sie war dem Beschuldigten
keineswegs
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