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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy
Autoren: Pete Dexter
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dem Ofen und sah dann rasch hinüber ans andere Ende der Küche, wo ein Weißer mit schwarzen Haarbüscheln auf den Armen und im Nacken die Vorbereitungen zum Dinner kontrollierte.
    Er funkelte uns beide an, in der Hand einen langstieligen Löffel, mit dem er die Suppe kostete. Offenbar ging er davon aus, dass meine Anwesenheit Ärger bedeutete. Ich lächelte ihm zu, und er beugte sich wieder über die Suppe, um gleich darauf erneut nachzusehen, ob ich mich immer noch in der Küche aufhielt.
    »Wie ist es Ihnen ergangen?« fragte ich.
    Sie hörte auf, das Wildschwein zu begießen, legte die Kelle hin und schob den mächtigen Braten in den Ofen. Als sie die Klappe schloss, sah ich einen Kranz Schweißtropfen an ihrem Haaransatz. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging, um in einem anderen Herd die Pasteten zu kontrollieren. Ich folgte ihr, glücklich, wieder in ihrer Nähe zu sein.
    »Arbeiten Sie jetzt hier?« fragte ich.
    Sie beugte sich über die Ofenplatte und prüfte eine Pastete an der äußersten Ecke. »Das tue ich, falls ich Ihretwegen nicht gefeuert werde«, sagte sie.
    Ich sah wieder zu dem Weißen mit den haarigen Armen und lächelte sie dann an, um ihr deutlich zu machen, wie harmlos er war. Sie schloss die Herdklappe, richtete sich auf und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab.
    »Ward ist draußen«, sagte ich.
    Sie nickte, womit sie andeutete, dass sie dies nicht allzu überraschend fände, und sah mir dann direkt ins Gesicht. »Sie müssen aus der Küche verschwinden«, sagte sie.
    »Sagen Sie Ward doch kurz Guten Tag«, sagte ich. »Wir beide reden unten in Miami immer noch von Ihnen.«
    »Im Augenblick passt es gerade nicht«, sagte sie.
    »Ich rede mit Ihrem Boss«, meinte ich, »ich sage ihm, dass Sie eine Freundin der Familie sind ...«
    »Bitte nicht«, sagte sie. Und als ich sie wieder anlächelte, sagte sie: »Ich bin keine Freundin Ihrer Familie, Jack. Ich war Köchin und Zimmermädchen, mehr nicht. Das habe ich damals getan, und heute tue ich dies hier, und wenn man mich hier nicht mehr braucht, dann mache ich wieder etwas anderes.«
    »Sie sind ein Teil der Familie«, sagte ich und trank das Glas leer. Ohne meinen Drink fühlte ich mich plötzlich irgendwie fehl am Platz. »Es lag nicht an meinem Vater«, sagte ich. »Er hat Sie nicht entlassen ...«
    Wieder ging sie an mir vorbei, zurück zu dem Ofen, in dem das Wildschwein lag. Mir fiel auf, dass uns jetzt mehrere Leute beobachteten, und ich merkte, in welch peinliche Situation ich sie brachte. Aber vielleicht konnte ich sie gerade deshalb nicht in Ruhe lassen. Und dann hörte der große Mann mit den haarigen Armen mit dem auf, was er am anderen Ende der Küche tat, und kam zu uns herüber.
    Sie nahm ihn wahr, ohne hinzuschauen. Sie schlug ihre Augen nieder, um keinen von uns ansehen zu müssen. Er stemmte die Hände in die Hüften, legte den Kopf ein wenig schief und wartete.
    »Tut mir leid, Sir«, sagte sie zu mir und klang seltsam distanziert, »Sie müssen entschuldigen, aber ich habe zu arbeiten.«
    Der Mann nickte, als wäre er noch nicht recht zufrieden, obwohl sie die richtige Reaktion gezeigt hatte.
    »Sie gehören nach draußen in den Saal«, sagte ich.
    »Nein, Sir, da gehöre ich nicht hin«, sagte sie und ging. Ich begriff, dass sie Angst hatte, und folgte ihr nicht länger. Dann sah ich den Mann an und sagte: »Sie ist eine alte Freundin der Familie«, und er nickte, als wüssten wir beide, dass das nicht stimmt. Als würde er mich an einem anderen Ort – einer Bar etwa oder einem Restaurant, in dem er nicht arbeiten musste – mit nach draußen nehmen und mir klarmachen, dass ich in seiner Küche nichts zu suchen hatte.
    Und ich erwiderte sein Nicken und dachte an meine berühmte Kopfnuss.
    ICH GING ZURÜCK in den Saal, um nach meinem Bruder zu suchen und ihm zu sagen, dass Anita Chester in der Küche arbeitete. Er saß neben der Eingangstür, wo ein Fotograf Bilder von meinem Vater und Ellen Guthrie mit unterschiedlichen Gruppierungen von Freunden und Familie machte.
    Ehe ich ihn erreichte, gab es einen Kurzschluss, und um vier Uhr nachmittags war der Raum – eine Seite davon war eine Fensterfront mit Blick auf den Golfplatz – in gewittrige Dunkelheit getaucht.
    Als meine Augen sich ans Dunkel gewöhnt hatten, setzte ich mich neben meinen Bruder. Direkt vor ihm auf dem Tisch stand ein Tablett mit einigen Gläsern Champagner. Der Sturm ließ den Regen gegen die Fenster prasseln.
    »Rate mal, wer
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