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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy
Autoren: Pete Dexter
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beantworten, doch stand er einer großen Zeitung vor und hatte auch schon früher unangenehme Dinge zu tun gehabt.
    »Das wurde bereits veranlasst«, sagte der Sonntagsredakteur.
    Der Herausgeber überlegte und lächelte dann. Er sagte: »Warum lassen wir den alten Hund nicht eine Weile in der Sonne liegen und warten, bis er von allein einschläft?«
    DER ALTE HUND WOLLTE ABER NICHT EINSCHLAFEN . Über den verschwundenen Bauunternehmer wurden Artikel in Städten geschrieben, in denen kein Leser je von Hillary Van Wetter oder Moat County gehört hatte.
    Preise sind für Zeitungsleute absolut faszinierend, vor allem der Pulitzerpreis. Sie sind ebenso faszinierend wie die Endspiele um die Baseball-Meisterschaft, Naturkatastrophen oder Präsidentschaftswahlen. Normalerweise bleibt das Interesse begrenzt, und es wird nur dann der lesenden Öffentlichkeit aufgedrängt, wenn die Zeitung selbst Preise gewonnen hat. Doch der Gedanke an einen unredlich erlangten Pulitzer bringt eine Redaktion in Aufruhr.
    Das Telefon im Büro meines Bruders klingelte ununterbrochen, da Reporter mit ihm über den verschwundenen Bauunternehmer reden wollten. Ich nahm die meisten dieser Anrufe entgegen, da Yardley und mein Bruder noch immer nicht zur Arbeit erschienen. Ich sagte den Reportern, dass ich nicht wisse, wann sie zurückkommen würden, und verwies sie an den Herausgeber.
    Manche Reporter fragten mich nach meinem Eindruck von der Lage bei der
Times
, wie es hier um die Moral bestellt sei. Sie würden alles vertraulich behandeln, sagten sie. Sie hatten keine Ahnung, wen sie am Telefon hatten oder was meine Aufgabe bei der
Times
war.
    Der aufdringlichste Anrufer war ein Reporter von
Newsweek
, einer Zeitschrift, deren Interesse an der Story durch einen Artikel des
Time Magazine
im letzten Jahr geweckt wurde, in dem Yardley Acheman als Verkörperung des neuen amerikanischen Journalismus gefeiert worden war.
    Der Reporter wollte Yardleys Telefonnummer, und ich hatte bereits ein halbes Dutzend Mal mit ihm gesprochen.
    »Hören Sie«, sagte er, »lassen Sie mich Ihnen genau sagen, was ich davon halte. Ich halte die ganze Geschichte für absoluten Bockmist.«
    »Was für eine Geschichte?«
    »Die ganze Geschichte«, sagte er. »Ich muss nur fünf Minuten mit Yardley Acheman reden, ihm ein paar Fragen stellen, und schon bin ich wieder aus Ihrem Leben verschwunden.« Ich schloss die Augen und stellte mir den Mann am anderen Ende der Leitung vor. Er war attraktiv und selbstsicher. Er sah Yardley Acheman ziemlich ähnlich.
    »Sie wollen ihn über den Bauunternehmer ausfragen«, sagte ich.
    »Nur um sicherzugehen, dass ich alles richtig verstanden habe«, sagte er, »dass der Typ im Krankenhaus eins über den Schädel gekriegt hat und sich an den Bauunternehmer nicht mehr erinnern kann.«
    »Wo haben Sie das denn aufgeschnappt?« fragte ich.
    »In der Zeitung«, sagte der Mann. »Ich will es nur noch mal überprüfen.«
    Als ich keine Antwort gab, sagte er: »Was denn? Ist es nicht so gewesen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Dann sagen Sie es mir ...«
    »Der Typ, der im Krankenhaus lag«, sagte ich, »ist nicht derjenige, der sich nicht mehr an den Bauunternehmer erinnern kann. Er hat den Bauunternehmer nie gesehen.«
    Jetzt war es am anderen Ende still. »Das ergibt keinen Sinn«, sagte der Mann schließlich. »Der andere Typ leidet an Gedächtnisschwund, weil sein Partner eins über den Schädel bekommen hat?«
    »Ich gebe Ihnen besser seine Nummer«, sagte ich.
    »Keine Sorge«, sagte er, »niemand wird erfahren, von wem ich sie habe.«
    Ich sagte ihm Yardley Achemans Nummer und legte auf.
    NACH DER ARBEIT ging ich zu Ward. Er hockte noch immer über den Notizen von Moat County und betrank sich dabei. Die Papiere lagen in sämtlichen Räumen der Wohnung verstreut, und wenn er in die Küche ging, nahm er gedankenlos ein, zwei Seiten mit und vergaß einen Augenblick lang, weshalb er in die Küche gegangen war. Er kannte die Mitschriften und Notizen mittlerweile so gut, dass er sich irgendein Blatt nehmen konnte und sofort wusste, wo genau es zwischen die tausend anderen Papiere hingehörte, die auf dem Boden herumlagen. Er musterte es einen Moment, legte es dann sorgfältig wieder auf den Boden, dorthin, wo er es gefunden hatte, und ging zum Kühlschrank.
    In gewisser Weise aber verwirrten ihn die Papiere auch. Er kannte sie zwar, aber ihre Bedeutung war ihm nicht mehr klar.
    »Heute hat jemand von
Newsweek
angerufen«, sagte er, als wir wieder im
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