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Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
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an das, was passiert war, und ließ sie den Mist wieder und wieder durchleben. »Ich möchte einfach nicht, dass meine Vergangenheit immer wieder zu mir nach Hause kommt. Okay?« Das klang schroffer, als sie beabsichtigt hatte, aber es entsprach der Wahrheit. Zumindest halbwegs.
    Das Gespräch endete mit einem Grunzen von Maik. Als der Kaffee durchgelaufen war, goss Michelle ihn in eine Tasse und reichte sie ihm.
    »Papa!« Mit einem spitzen Schrei lief Lilly durch die Küche auf Maik zu. Der hatte gerade noch Zeit, den Kaffee abzustellen, bevor sie ihm in die Arme sprang.
    Michelle sah, wie sehr Maik die Umarmung seiner Tochter genoss, und bereute sofort, was sie zu ihm gesagt hatte.
    »Alles gepackt?«, fragte er knapp. Lilly deutete auf eine Tasche, die in der Tür lag. Zu Michelle gewandt sagte er:
    »Solange ich meine Tochter sehen darf, machen wir, was du willst.«
    Lilly ging zu ihrer Tasche. »Habt ihr euch gestritten? Meinetwegen?«
    Michelle seufzte, ging zu ihrer Tochter und nahm sie in den Arm. »Nein, haben wir nicht. Ich wünsch euch zwei viel Spaß. Und dass du mir zurückkommst.« Sie lachte und hoffte, dass es ehrlich klang.
    Lilly befreite sich aus der Umarmung. »Ich hasse es, wenn ihr mich anlügt. Kommst du klar?«
    »Nein, ich brauche unbedingt meine vierzehnjährige Tochter, sonst bin ich hoffnungslos verloren.«
    Lilly grinste. »Gut, dann können wir.« Maik und sie verabschiedeten sich und fuhren schließlich davon.
    Michelle setzte sich auf einen Küchenstuhl und sackte in sich zusammen.
    Warum belügst du dich selbst? Ohne Lilly bist du doch nur ein halber Mensch. In Wirklichkeit willst du nicht, dass Maik sie bei sich hat, weil du Angst hast, dass er sie dir wegnimmt! Du kommst ohne sie nicht klar. Sieh es doch endlich ein!

[home]
    Kapitel 3
    S eit einiger Zeit schmeckte das Feierabendbier besser als sonst. Nein, Arbeit war nicht alles. Vor allem, wenn es sich um Polizeiarbeit handelte. Robert Bendlin saß auf der Couch und lehnte sich zurück. Endlich hatte er etwas Zeit. Er schnappte sich das Lehrbuch für Psychologie, schlug die Seite mit dem Lesezeichen auf und sprang von Zeile zu Zeile, ohne wirklich zu lesen.
    Im Hintergrund lief leise der Fernseher.
    Im Laufe der Zeit wurde der Job wichtiger als alles andere. Freunde hatte er inzwischen nur noch im Dezernat, und es reichte ihm, seine Familie an Feiertagen zu besuchen. Ist man jung, hat man nicht das Gefühl, dass etwas falsch läuft. Mit Ende 30 sieht man die Dinge jedoch anders. Vor allem, wenn man nach Feierabend allein zu Hause auf der Couch sitzt.
    Die Stimme des Nachrichtensprechers wurde penetranter, und schließlich legte Robert das Buch zur Seite. Wann war sein Leben in Schieflage geraten?
    Er starrte eine Weile auf den Buchdeckel. Studieren? Jetzt noch? Das klang in seinen Ohren wie ein Rückschritt. Wie das Eingestehen seines Scheiterns.
    Wie würde er sich machen zwischen all den jungen Studenten? Und selbst wenn er den Abschluss schaffen sollte, wie wahrscheinlich war es, dass er in diesem Bereich Arbeit finden würde?
    Am Ende landete er noch auf der Straße. So gesehen war sein Job gar nicht so übel, selbst wenn keine Karriereleiter in der Nähe stand, um hinaufzuklettern.
    Er seufzte, stand auf und ging zum Vorratsschrank. Dosenravioli oder Tütensuppe? Das Leben bestand aus Entscheidungen, und manchmal schien keine davon erstrebenswert. Er packte beides zurück. Vielleicht war heute der richtige Abend, um essen zu gehen.
    Bevor er es sich anders überlegen konnte, zog er eine Jacke an, packte Handy und Schlüssel ein und verließ die Wohnung.
    Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Der Essensgeruch im Hausflur ließ seinen Magen aufschreien. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er den Großteil des Tages gehungert hatte. Noch etwas, was der Beruf mit sich brachte.
    Er schüttelte den Gedanken an die Arbeit ab, trat auf die Straße und stieg ins Auto.
    Eine viertel Stunde später holte ihn die Polizeiarbeit wieder ein, und er stoppte den Wagen. So war es immer. In all den Jahren hatte er nie gelernt abzuschalten. Er könnte die Sache ignorieren oder verschieben, aber dann würde er diese Nacht nicht mehr ruhig schlafen können.
    Der Hunger war vergessen. Er griff nach seiner Brieftasche und zog ein Foto heraus. Darauf zu sehen war eine Chinesin um die fünfzig. Sie trug kurzes Haar und eine dicke schwarze Sonnenbrille, die ein Stück zu tief auf ihrer Nase saß.
    Robert schaute auf das Einfamilienhaus vor
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