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Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
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etwas chinesisch Klingendes, was ein Name oder ein unsagbar unanständiger Fluch hätte sein können, und warf die Tür ins Schloss.
    Wieder ein Indiz mehr. Wieder nichts, was auf eine Straftat hindeutete. Was für ein vertaner Abend.
    Robert stieg ins Auto und ließ den Motor an, als sein Handy klingelte. Auf dem Display erschien der Name seines Chefs. Werner Zellinger. Robert stellt den Motor ab und ging ran. Es war ungewöhnlich, dass Werner sich so spät noch meldete.
    Zunächst verstand Robert die Stimme in der Leitung nicht, bis ihm klar wurde, dass sie nicht mit ihm, sondern mit jemandem in Hintergrund sprach. Wahrscheinlich war Zellinger auf einen falschen Knopf gekommen.
    Robert wollte schon auflegen, als die Stimme klarer wurde. »Rob? Zellinger hier. Hör zu. Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch störe, aber ich hatte gerade einen Anruf aus der Psychiatrie Ruhrbach. Ich möchte, dass du und Maik morgen direkt in die Klinik fahrt. Kommt nicht erst ins Dezernat. Ich habe Dr. Kramme versprochen, ein Expertenteam zu schicken. Es geht um Thomas Ried, und es wird euch nicht gefallen.

[home]
    Kapitel 4
    G enau zwei Jahre waren vergangen seit Lillys Rückkehr aus der Hölle. Zwei Jahre, in denen sie versucht hatte, weiterzuleben, als wäre nichts geschehen. Aber natürlich stimmte das nicht.
    Damals hatte jemand den Spiegel zerschlagen, durch den sie die gute, die heile Welt beobachtet hatte. Bis dahin hatte sie nie die
wirkliche
Welt mit all ihren Grausamkeiten gesehen, denn hinter dem Spiegel lagen nur Düsternis, Verrat und Misstrauen. Es war, als wäre sie all die Jahre über blind gewesen.
    Jetzt war sie vierzehn, doch sie fühlte sich kein Stück älter als damals. Ihre Psychiaterin hatte einen Ausdruck dafür: Entwicklungsretardierung. Doch Lilly war sich ziemlich sicher, dass man das, was sie erlebt hatte, in keine Schublade stecken konnte und dass es nicht wirklich einen passenden Begriff dafür gab.
    Die Erinnerung raubte ihr die Luft zum Atmen. Lilly hatte das Gefühl, manche Gedanken waren mehr als nur Bilder im Kopf. Sie waren lebendig, hatten die Eigenschaft, alles Glück und jegliche Freude aufzusaugen. Und waren diese Gedanken erst einmal da, hafteten sie an ihr wie Sekundenkleber.
    Ihre Hände zitterten und ließen den Brief, den sie hielt, unruhig knistern. Beim letzten Mal hatte es Wochen gedauert, bis es ihr besser ging, und dann kam der Jahrestag – und alles war wie am Anfang. So wie heute.
    Eigentlich hatte sie diesen Tag mit ihrem Papa verbringen wollen. Nachdem er sie abgeholt hatte, deckten sie sich mit chinesischem Essen ein und verbrachten den Abend damit, alte Filme zu gucken.
    Lilly liebte es, Zeit mit ihm zu verbringen, ihn zu beobachten, wenn er in diese angestaubten Detektivgeschichten versank, während sie sich mit Bratnudeln und scharfer Ente vollstopften. Heute wollten sie ausgiebig shoppen gehen. Sie brauchte dringend ein paar neue Klamotten, doch dann kam gestern Abend der Anruf, und das Wochenende war geplatzt.
    Nach dem Frühstück hatte er sie hier wieder abgesetzt und war weiter ins Dezernat gefahren, wo er arbeitete. Ja, sein Job war wichtig, aber sie war es doch auch, oder?
    Auch wenn sie über diese Entwicklung nicht glücklich war, so gab ihr das die Gelegenheit, einer anderen Sache nachzugehen.
    Sie schaute zum Monitor. Ob er sich heute melden würde?
    Ihre Haut kribbelte, und sie fühlte, wie sich ihre Wangen röteten.
    Im Hintergrund wummerte Technosound. Der Bass massierte ihren Magen.
    Sie zappelte, stand vom Bett auf und ging zu ihrem Kleiderschrank. Bis jetzt hatte sie wenig Interesse daran gehabt, ihren Kleiderbestand aufzuhübschen. Doch dann lernte sie Patrick kennen, und alles änderte sich. Jetzt schien der ganze Schrank voll zu sein mit kindischen, hässlichen oder schlecht sitzenden Klamotten.
    Sie seufzte. Hässlich war das Stichwort. Das traf so ziemlich auf alles in ihrem Leben zu.
    Sie hatte für ihren Geschmack zu kleine Brüste, und sie machte sich wenig Hoffnung, dass sich das ändern würde. Außerdem war sie sitzengeblieben und hatte die meisten ihrer Freundinnen verloren. Wer wollte schon mit jemandem befreundet sein, dessen Stiefvater ein Monster war?
    Natürlich, alle waren außerordentlich nett zu ihr, nachdem sie erfahren hatten, was passiert war. Für eine Weile. Als dann der Alltag zurückkam und sie merkten, dass Lilly kaum noch Freude an den Dingen um sie herum hatte, nahmen sie Abstand. Ganz allmählich starben ihre
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