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Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
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sich, das genauso gelb angemalt war wie die anderen in der Straße. Sie alle gehörten früher mal zu einer Fabrik, die bereits in den 1980ern Pleite gemacht hatte. Die Mitarbeiter konnten damals günstig dort wohnen und ihr Haus später für kleines Geld kaufen.
    Solche Gebäude gab es im Ruhrgebiet zuhauf. Das war nichts Besonderes. Was dieses Haus einzigartig machte, war die Frau auf dem Foto. Den Recherchen nach gehörten ihr der ganze Block und das chinesische Restaurant um die Ecke. Sie hatte weder Mann noch Familie – zumindest keine, die ordentlich gemeldet war. Dieses Haus, mit dem gepflegten Vorgarten und der diffusen Beleuchtung hinter den Gardinen, war laut Unterlagen, die er und Maik vor ein paar Tagen erhalten hatten, nicht bewohnt. Und das in einer Gegend, in der Wohnungsknappheit herrschte und die Mietkosten von Jahr zu Jahr stiegen. Das war ganz sicher nicht strafbar, aber es war zumindest im gleichen Maße verdächtig, wie Robert unentschlossen war.
    Zwei Jahre lang hatten sie der Frau kaum etwas nachweisen können. Und die dreckigen Details, die sie herausgefunden hatten, wurden von höherer Stelle unter den Teppich gekehrt. Es war, als wollte niemand gegen diese Frau ermitteln. Warum sollte sich das ausgerechnet heute ändern?
    Er unterdrückte den Impuls weiterzufahren und stieg stattdessen aus. Nur mal schauen. Die Arbeit hatte ihn im Griff, und er hasste sie dafür.
    Die Luft war klamm. Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich in den Pfützen und in bunten Öllachen wider. Es roch nach Asphalt. Es roch nach einer überbesiedelten Stadt. Und doch war weit und breit niemand zu sehen. Die Parkplätze, die zum Restaurant gehörten, waren bis auf einen einzelnen Wagen leer.
    Ungewöhnlich.
    Robert schlenderte am Vorgarten entlang, schaute sich um, als interessierte er sich für die Wohngegend, stieg über den weißen, kniehohen Zaun und ging zur Tür.
    Alles war ruhig. Warmes Licht fiel durch die Milchglasscheibe der Tür. Er fasste sich ein Herz und klingelte.
    Nichts passierte.
    Er drückte erneut den Klingelknopf und klopfte zusätzlich. Niemand sollte ihm vorwerfen können, er hätte nicht alles versucht.
    Doch es änderte sich nichts. Das Haus blieb ruhig. Gerade, als sein Magen verärgert knurrte und er sich umdrehen wollte, öffnete jemand einen Spalt breit die Tür.
    »Ja?«
    Eine Chinesin schaute unter der vorgelegten Kette hindurch. Ihr Gesicht war hübsch, aber dennoch zu grob für seinen Geschmack. Sie war hochgewachsen und wirkte modern, anders als die Frau auf dem Foto. Robert schätzte sie auf Anfang dreißig, wobei ihm das bei Asiaten immer schwerfiel.
    Schnell griff er in die Innentasche seiner Lederjacke und zog die Brieftasche heraus. Er klappte sie auf und zeigte ihr seine Marke. »Ich bin von der Polizei, entschuldigen Sie die Störung.«
    Die Augen der Frau weiteten sich, und Robert meinte zu erkennen, dass ihr Gesicht blasser wurde. Genau genommen war er Kriminalkommissar, doch das behielt er für sich.
    Er zog das Foto der Chinesin hervor, zögerte aber, es ihr zu zeigen. Es gehörte zu einem Fall, der keiner war. Maik, sein Partner, hatte vor zwei Jahren einen Mordfall abgeschlossen. Ein durchgeknallter Typ namens Thomas Ried hatte Spaß daran gefunden, Frauen übel zuzurichten.
    Die erste Leiche, die man fand, war noch kunstvoll hergerichtet. Bemalt, als wäre sie etwas Besonderes, an das man sich mit morbider Freude erinnern sollte. Danach wurde es schlimmer. Die zweite hatte er vollständig gehäutet. An der letzten Leiche war nichts Menschliches mehr zu erkennen gewesen.
    Und dann tauchte plötzlich die Chinesin auf. Halb nackt und zitternd. Sie gab an, von Ried gefangen worden zu sein. Sie führte Maik zu ihm, und er konnte sich eine ordentliche Gehaltserhöhung samt Beförderung abholen.
    Ried hatte sich nicht gewehrt und war geständig. Im Prozess hatte er allerdings – fast beiläufig – erwähnt, unter welchen Umständen er diese Chinesin kennengelernt hatte.
    Die Staatsanwaltschaft nahm direkt die Ermittlung gegen sie auf, stellte sie aber schon recht bald wieder ein. Es ließen sich keine Beweise finden, und es gab nichts außer den Aussagen eines Serienmörders, der inzwischen in einer geschlossenen Anstalt saß.
    Nur Maik ließ die Sache nicht los. Seit sie Partner waren, kamen sie immer wieder auf das Thema zu sprechen. Die Chinesin, da war sich Maik sicher, versteckte eine Menge Scheiße in ihrem Keller. Und auch wenn sie ordentlich Rosenwasser darauf
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