Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
Vom Netzwerk:
Kuchen höchstpersönlich gebacken. »Gekaufter Kuchen«, sagte sie, »ist ja auch gut. Fast wie frischer.«
    »Leider habe ich keinen Alkohol im Haus.«
    Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Bedauerlich.«
    Er lächelte gequält, setzte sich und rührte mit dem Teebeutel in der Tasse.
    Die Porzellanpuppe hingegen ignorierte den Tee und machte sich genüsslich über den Kuchen her. »Erzählen Sie mal, was haben Sie in den letzten Jahren getrieben? Wo haben Sie sich versteckt? Gerüchte gibt es ja so einige, aber ich persönlich bevorzuge Fakten. Harte Fakten, wissen Sie? So mag ich das. Zack, zack, zack.« Sie schlug mit der Handkante auf den Tisch, als hackte sie Fleisch in kleine Stückchen.
    Was sollte er ihr sagen? Die Wahrheit? Das wäre bestimmt witzig.
    Wissen Sie, Frau Lammert, ich habe da ein Problem mit dem Kopf. Der setzt manchmal ganz plötzlich aus. Ich war lange Zeit in Therapie und habe nun beschlossen, mal ’ne Pause zu machen. Die ständigen Medikamente können ja auf Dauer nicht gesund sein, nicht wahr? Noch etwas Zucker zum Tee?
    Nein, das würde ihrer Nachbarschaftsbeziehung nicht guttun. Stattdessen sagte er: »Ich habe eine Wohnung in der Stadt. Dieses Haus war mir schon immer zu weit draußen, wissen Sie. Der nächste Nachbar«, er stockte, deutete mit der Hand auf ihren ausladenden Busen, »
Sie
, wohnt gut hundert Meter weit entfernt. Hier hat man schnell das Gefühl, einsam zu sein. Ich brauche Leute um mich herum. Leben! Deshalb bin ich hier. Ich überlege, dieses Haus zu verkaufen.«
    »Nein.« Sie riss die Augen auf. »Diese Ruhe wollen Sie eintauschen gegen Autoabgase, Stress und dummes Geschwätz? Na ja, es ist ja Ihr Haus. Sie werden am besten wissen, was man damit macht, nicht wahr, aber gleich verkaufen? Nach all den Jahren.« Es klang wie ein Vorwurf. »Sie hätten netter zu Ihrer Frau sein sollen. So ein hübsches Ding. Vielleicht nicht die Klügste, aber hübsch.«
    Er unterdrückte den Wunsch, ihr den Kuchen ins Gesicht zu drücken, bis sie keine Luft mehr bekam, und zuzusehen, wie ihr Kopf blau anschwoll. Stattdessen setzte er eine freundliche Maske auf. »Frau Lammert, wo Sie gerade hier sind. Würden Sie mir einen Gefallen tun?«
    Die Dame stopfte sich noch ein Stück Kuchen in den Mund und spülte mit etwas Tee nach. »Hm? Oh, entschuldigen Sie. Ich bin etwas schwerhörig. Sie müssen lauter sprechen.«
    Wie interessant. Manchmal musste man einfach nur Glück haben. Schwerhörige Nachbarn waren die besten Nachbarn. Zumindest, solange sie nicht neugierig waren. Die gute Frau Lammert jedoch war mehr als nur eine Spur zu neugierig. Damit musste Schluss sein. Vorerst zumindest.
    Er nahm einen Schluck Tee. Seine Hand zitterte so, dass er die Tasse mit der anderen stützen musste. Dann legte er los. »Mir ist aufgefallen, dass Sie fett geworden sind.«
    Der rosa Teint wandelte sich in kalkiges Weiß.
    »Ganz im Ernst. Haben Sie in den letzten Jahren etwas anderes gemacht, außer gefressen? Ich meine, so wie Sie den Kuchen verschlingen, müssen Sie viel Übung darin haben. Wenn ich es mir recht überlege, hätte ich Ihnen den Kuchen besser nicht gegeben.«
    Ihre Gesichtsmuskeln erschlafften. »Was … ich versteh…«
    »Und Ihre Titten«, er deutete auf ihren massiven Vorbau, »das sind Sandsäcke, die man halb geleert hat. So was versteckt man und stellt es nicht in einem hauchdünnen Kleid zur Schau. Ehrlich gesagt, habe ich mich vorhin wirklich erschrocken. War das früher schon so?«
    »Also …« Sie sprang auf. »Sie haben wohl den Verstand verloren?«
    »Und Sie offenbar Ihre Fassung wiedergewonnen. Gut, dann ist es gleich vorbei.«
    Sie kam dicht an ihn heran und bohrte fast den Zeigefinger in sein linkes Auge. Ihr Gesicht war wutverzerrt. »Wagen Sie es nicht, so mit mir zu reden. So nicht. Ich weiß nicht, was in Sie gefahren ist, was Sie die letzten Jahre gemacht haben, aber es hat Ihnen nicht gutgetan.«
    Er setzte eine versteinerte Miene auf und erhob sich ebenfalls. Er war deutlich größer als sie. »In diesem Haus«, sprach er langsam und betonte jedes Wort, »sage ich, was ich will. Sie kommen hierher, miefen mit Ihrem Gestank alles ein, fressen von meinen Vorräten«, sein Schatten verdunkelte ihr Gesicht, »und besitzen die Unverfrorenheit, mir zu sagen, was ich tun und lassen soll?«
    Sie starrte ihn weiter an, zwinkerte nicht und wurde mit offenem Mund immer kleiner. In ihren Augen flackerte ein Licht, das er als Unsicherheit interpretierte. Obwohl es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher