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Papa

Papa

Titel: Papa
Autoren: Sven I. Hüsken
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ihm im Grunde egal war, was es bedeutete. »Sie verschwinden jetzt, und wehe, Sie wagen sich noch mal in meine Nähe.«
    Augenblicklich machte sie auf dem Absatz kehrt und watschelte hinaus.
    Einen Moment sah ihr der Mann durch das runde Fenster in der Tür nach. Sie tat ihm leid, aber das war der einzig richtige Weg gewesen. Sie würde vorerst nicht mehr in die Nähe des Hauses kommen. Er seufzte. Mit Blumen allein würde er das nicht wiedergutmachen können, aber das Problem musste warten. Jetzt gab es Wichtigeres.
    Sie war schwerhörig. Das war alles, was er wissen musste. Er ging ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein, räumte den Tisch ab und pfiff fröhlich vor sich hin.
    Das Abendprogramm langweilte ihn, aber es war angenehm, belanglose Stimmen im Hintergrund zu hören. Er schnappte sich den Spaten und die Folien, öffnete die Terrassentür im Wohnzimmer und trat nach draußen. Der Wind hatte aufgefrischt, und der Wald hinter dem Feld, das an seinen Garten grenzte, rauschte wie eine rauhe See.
    Dieses Feld war der Grund, weshalb es immer wieder nach Gülle stank. Schlechte Gerüche schreckten hier in der Gegend niemanden auf. Gut!
    Die ersten dicken Tropfen prasselten vom Himmel. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Garten und verstaute den Spaten samt Folien im Holzverschlag, in dem nur ein einsamer, verrosteter Rasenmäher stand.
    Danach ging er zurück und verschloss die Terrassentür sorgfältig. Im gleichen Moment donnerte eine Windböe gegen die Scheiben und ließ das Glas klirren. Der einsetzende Regen überschwemmte den Garten.
    Zurück in der Küche verriet ihm ein Blick auf die Sanduhr, dass die Zeit abgelaufen war.
    Seine Haut begann zu kribbeln. Die Erregung flutete seinen Körper. Schön würde es werden. Was wäre die Welt ohne ihre Künstler? Und ohne ihre Kunstwerke?
    Er grinste, schnappte sich die Farbe und ging pfeifend über den Flur, die Kellertreppe hinunter.
    Dem Waschkeller gegenüber war ein Raum, in dem ein paar Regale standen. Darin lagerten einsame Einmachgläser mit undefinierbarem Inhalt, mehrere Stapel Zeitschriften, einige Kartons und verrostetes Werkzeug. Es roch nach Schimmel und Feuchtigkeit. Große Teile der Wände waren ausgeblüht und schwarz gesprenkelt, als hätte jemand mit dunkler Tinte umhergespritzt.
    Er trat an ein Metallregal, das an die Wand gedübelt war, und zog daran. Die Wand gab nach, schwang nach vorne, und ein Loch kam zum Vorschein. Der Luftstrom trug den Geruch von Kot und Schweiß mit sich.
    Diese Konstruktion hatte er mal im Fernsehen gesehen. Wer nicht genau wusste, wonach er suchen musste, würde diese Tür niemals finden.
    Dahinter war ein weiterer Raum, nur spärlich beleuchtet. Er war in keinem Plan verzeichnet. Ihn gab es nicht, wenn der Mann es nicht wollte.
    Ein schwaches Wimmern kam von einer Liege, die hinter einem Paravent versteckt war.
    »Nein, bitte«, schluchzte eine Frauenstimme. »Machen Sie nicht weiter. Ich kann nicht mehr.«
    Er lächelte und ging zu ihr.
    »Bitte!« Die Stimme war nur ein Hauch. Doch flehende Worte hatten ihn noch nie beeindruckt. Er schaute auf das Stück Fleisch hinunter, das bereitwillig vor ihm lag. Einer Leinwand gleich. Ein wohliger Schauer kam über ihn. Es war an der Zeit, sie weiter zu füllen.
    »Ich kann nicht mehr.«
    Vorsichtig nahm er ihre Hand, als wäre sie aus Glas, und streichelte sanft ihre Haut. »Das glaube ich Ihnen«, sagte er, und fixierte ihren Arm mit einem Klettband. »Wäre ich an Ihrer Stelle, wüsste ich nicht, ob ich so tapfer durchhalten würde.« Er streichelte über ihre nackten Brüste. »Dabei steht Ihnen das Schlimmste noch bevor. Aber jetzt noch nicht, das verspreche ich. Dazu ist später noch Zeit, wenn wir zwei es voll auskosten können.« Er blickte in ihre Augen, die rot und verquollen waren. »Sie haben geweint.« Er fasste in seine Hosentasche und zog ein Taschentuch hervor, mit dem er ihr ein paar Tränen von den Wangen wischte.
    Schwarze Linien verliefen in Kreisen und Spiralen über ihr Gesicht.
    »Sie sollten nicht weinen. Wasser kann Kunst zerstören. Und ich lasse nicht zu, dass Ihre Tränen dieses Bild vernichten. Wenn Sie weiter weinen, muss ich Ihnen die Augen nehmen. Das würde das Kunstwerk zwar weniger vollkommen machen, aber auch ich muss Opfer bringen, nicht wahr?«
    Sie warf schluchzend den Kopf hin und her und bäumte sich auf. Sekunden später sackte ihr Körper zurück auf die Liege, und sie rührte sich nicht mehr.
    Vielleicht bereitete sie
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