Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Panic

Panic

Titel: Panic
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
sonst? Ich war sein einziges Kind. Und so jagte er sich eine Kugel ins Herz, um die Sache ordentlich zu erledigen und mir den Anblick einer Kopfwunde zu ersparen.
    Das Gesicht meines Vaters hatten die Aasfresser nicht angerührt, und ich weiß, es klingt abscheulich, aber ich wünschte mir fast, sie hätten es getan, denn so sah ich, wie sehr er gealtert war in all den Jahren. Und obwohl ich unter allen Umständen die Harte mimen wollte, musste ich heftig schlucken. Die ehemals buschigen schwarzen Augenbrauen waren dünn und weiß geworden. Seine Haare waren fahl und länger, als ich sie in Erinnerung hatte. Seine Haut war faltig geworden. Die Wangenknochen traten so prägnant hervor, dass ich mich fragte, wie viel er in letzter Zeit wohl gegessen hatte.
    Und doch brachte ich es nicht über mich, ihm die Hand aufzulegen, seine Haut zu streicheln, ihn Daddy zu nennen. Ich nickte nur, um ihn zu identifizieren, und ging dann hinaus auf die Straße, wo der Wind stärker geworden war und mir den Staub in die Augen blies.
     
    Nachdem ich das Begräbnis organisiert hatte, fuhr ich zu der großen weißen viktorianischen Villa, nördlich von Bangor, in der ich aufgewachsen war. Lange stand ich auf der Veranda, bis ich genügend Kraft gesammelt hatte, um hineinzugehen. Ich blickte den Hügel hinunter auf das Eis, das sich auf dem herzförmigen Teich meiner Mutter gebildet hatte, und kämpfte wieder mit den Tränen; sie war seit fünfzehn Jahren tot, trotzdem hatte er ihren geliebten Pavillon instand gehalten und streichen lassen. Zum Andenken an sie.
    Der Anwalt meines Vaters, ein junger Privatschulabsolvent namens Wilson, bog in die Auffahrt ein und machte es mir leichter, das Haus zu betreten. Wir gingen gemeinsam durch die Räume, neutral, wie durch einen Möbelladen. So vieles von meinem Leben hier hatte ich weggesperrt, vor meinem Mann, vor mir selbst versteckt. Ich würde auf keinen Fall zulassen, dass der Tod meines Vaters das alles wieder zum Vorschein brachte.
    Wilson und ich sahen die Papiere durch, die mein Vater auf dem Esszimmertisch zurückgelassen hatte. Ich würde alles erben. Das Haus, die Hütte oben bei Baxter, den Grundbesitz, die Wertpapiere, das Bargeld, alles. Ich sagte Wilson, er solle alles verkaufen und den Erlös als Treuhandvermögen für Patrick und Emily anlegen.
    »Sie wollen nichts von alledem behalten?«, fragte Wilson ungläubig.
    »Ein paar Kleinigkeiten vielleicht«, antwortete ich und wusste, dass Kevin außer sich sein würde, wenn er davon erführe. Kevin hatte viele liebenswürdige Eigenschaften, er war aber auch hoffnungslos verschwendungssüchtig und ständig auf der Suche nach neuen Geldquellen, damit unsere Familie auch weiterhin auf großem Fuß leben konnte. Doch in diesem Fall würden Kevins Bedürfnisse hinter den meinen zurückstehen müssen.
    »Sind wir fertig?«, fragte ich.
    »Fast«, sagte der Anwalt und zog einen Umschlag aus der Tasche. Er trug die Handschrift meines Vaters und war an »Little Crow« adressiert.
     
    Ich schreckte aus dem Schlaf.
    Die Maschine wurde von heftigen Turbulenzen geschüttelt, geriet in ein Luftloch und sackte fünfzehn Meter ab. Gleich darauf kippte das Flugzeug nach rechts und sackte erneut ab, diesmal etwa sechzig Meter. Dann fing es sich wieder, und das grauenhafte Geschaukel ließ ebenfalls nach.
    »Ah, du großer Gott!«, rief Arnie. Er durchwühlte das Netz an der Rückseite des Vordersitzes, fingerte die Brechtüte heraus und übergab sich.
    »Da haben wir’s. Was hab ich gesagt?«, sagte Phil zu Butch. »Kaum quietscht der Keilriemen ein bisschen, fällt unser Doc hier schon in Ohnmacht.«
    Über den Lautsprecher schrie der Pilot: »Alle Mann festhalten! Es wird ungemütlich.«
    Wieder wurde das Flugzeug durchgeschüttelt, heftiger als zuvor, als es nach unten ging, durch die Wolkendecke. Arnie stöhnte. Ich klammerte mich an die Armstützen, bis ich meine Finger nicht mehr spürte. Kurant, der Rotschopf, starrte an die Decke. Lenore Addison feilte sich ungerührt die Fingernägel, während Earl mit den Zähnen knirschte. Endlich, als ich schon dachte, ich würde es nicht mehr aushalten, hörte das Trudeln und Schlingern auf, und wir waren durch die Wolken gestoßen.
    Ein lang gezogener, schmaler See lag unter uns, und ringsum sahen wir Berge, Wälder und Ebenen, die sich kilometerweit in jede Richtung erstreckten. Die Hochebenen waren größtenteils von Nadelbäumen bewachsen – Fichten und Kiefern aller Art. Nach Norden hin wies
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher