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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Autoren: Alexander Odin
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hielt er kurz inne und las: Willkommen in Little Wicker Mill. Schafe: 22 500; Fliegen 2 000 000; Einwohner: 70!
    Die erste und die letzte Zahl wirkten jetzt nur noch wie ein böser Scherz. Die Schafe waren alle tot. Und von den Bewohnern waren nur noch er und seine Frau am Leben. Dass Amber lebte, hoffte er zumindest. Sie war weggerannt, nachdem er Emily und Luisa getötet hatte.
    John lief am Rande des Highways entlang in der Hoffnung, dass ihn irgendwann einmal ein Fahrzeug aufgabeln würde. Doch das würde sicherlich einige Zeit dauern. Er musste zu Fuß gehen, weil nach dem Sandsturm die gesamte Elektronik ausgefallen war. Kein Wagen war mehr angesprungen, und alle Telefone waren tot gewesen. Nur seine Uhr, eine alte Seiko mit Handaufzug, ging noch. Er schaute auf sie und dann zum endlosen Horizont.
    Von dort hatte sich vor genau einer Woche um genau dieselbe Uhrzeit ein riesiger, dunkler Sandsturm mit großer Geschwindigkeit auf Little Wicker Mill zubewegt und das Sonnenlicht verdunkelt. John Rudin konnte den Ablauf noch immer minuziös nachempfinden:
    Zuerst der Sturm, der wie ein Güterzug über sie hinwegrattert – so laut, als würde ein gewaltiger Steinschlag auf die Ansiedlung herabprasseln. Dann gehen alle Lichter aus, und Dunkelheit hüllt sie ein. Die Staubkörnchen stechen auf der Haut und in den Augen. Es gibt kein Entrinnen. Der Sand kriecht durch jede noch so kleine Öffnung und Ritze ins Haus. Es fühlt sich an, als seien sie nicht mehr auf der Erde, sondern in einem Sandsturm auf dem Mars. Der Spuk dauert ganze vier Stunden. Dann löst sich die rote Wolke langsam auf. Das Leben in Little Wicker Mill normalisiert sich recht schnell wieder, und die Menschen gehen zur Tagesordnung über. Doch in Wirklichkeit ist nichts mehr so, wie es einmal war. Die eigentliche Katastrophe beginnt kurz darauf.
    Schleichend. Hinterhältig.
    John rückte seine Sonnenbrille zurecht und blickte den Highway hinunter, der sich wie eine ewig lange Startbahn in der Ferne verlor. Einige Schritte vor ihm lag etwas Metallenes auf der Fahrbahn, das in der Sonne funkelte. Er hob es auf. Es war Ambers Kette mit dem silbernen Medaillon. Er öffnete es und sah auf dem kleinen Foto Emily, Luisa und dazwischen sich selbst in die Kamera grinsen. Wie kam die Kette mit dem Medaillon hierher?
    Plötzlich hörte er hinter sich ein Scharren, das sich anhörte, als käme es von einem Stier in der Arena. Seine Nackenmuskulatur spannte sich an, und vorsichtig fasste er zum Holster, in dem die Machete steckte. Leise öffnete er den Verschluss. Dann drehte er sich langsam um. Die Luft auf dem Asphalt flimmerte, und die Gestalt, die vor ihm stand, konnte er zunächst nur als Schatten wahrnehmen. Doch dann erkannte er ihre Umrisse. Das war Amber!
    »Mein Gott, du lebst«, rief er und wollte schon auf sie zustürzen, doch etwas hielt ihn zurück. Es war die Art, wie sie den Kopf hielt. Nach rechts geneigt, so wie abgeknicktes Gras nach einem Unwetter. Genau so, wie all die anderen, die er getötet hatte. So, wie seine beiden Töchter Emily und Luisa und auch wie Ruth Wilke und ihren Mann.
    Heiser flüsterte er noch: »Schatz, verzeih mir … Ich werde dich immer lieben.«
    Dann riss er die Machete aus dem Holster, holte aus und schlug ihr den Kopf ab.

2
    BERLIN-MITTE, ALEXA EINKAUFSCENTER,
18. NOVEMBER
    Am Abend vor dem Unglück hatte ihr Vater sie noch angerufen: aus seinem Büro in der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Als Projektleiter DEinternational war er dort für die Beratung und Betreuung deutscher und kolumbianischer Unternehmen zuständig.
    In Kolumbien war es zwei Uhr mittags, sechs Stunden früher als in Deutschland. Fünfzehn Minuten lang unterhielten sie sich. Das wusste sie genau, denn nachdem sie aufgelegt hatte, hörte sie den Tagesschausprecher der Zwanzig-Uhr-Nachrichten aus dem Wohnzimmer sagen: »Wir melden uns wieder mit den Tagesthemen um dreiundzwanzig Uhr fünfzehn.«
    Ihre Mutter Simone saß auf dem Sofa und zeigte keinerlei Gefühlsregungen, als ihre Tochter aus dem Flur ins Wohnzimmer kam und einen »lieben Gruß von Papa« ausrichtete. Simone nickte nur mit dem Kopf und starrte weiter in die Glotze, in der gerade eine weitere Folge einer beliebten Krimi-Serie begann. Zum damaligen Zeitpunkt lebten ihre Eltern bereits ein Jahr getrennt, und die Scheidung war eingereicht.
    An all das erinnerte sich Naomi lebhaft, während sie auf einer Bank im Alexa
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