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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Autoren: Alexander Odin
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tiefschwarze Wolke im Fahrgastraum aus. Sie verdichtete sich zu einem schwarzen Loch und sog all die farbigen Wolken auf. Es war entsetzlich.
    Die Wolken, die zuvor langsam aus Sigmund Witters Körper geflossen waren, wurden nun aus ihm herausgerissen und von dem Loch gierig verschlungen. Er spürte einen Schmerz, so als ob jemand ihm ohne Betäubung die Eingeweide herausreißen würde. Plötzlich sah er, wie außen gegen die Scheibe der fahrenden S-Bahn ein fetter Rabe klatschte: Blut und Innereien spritzten umher. Dann fing der Tumor in seinem Kopf höllisch zu brennen an. Dumpf hörte er noch eine Frau, wie sie aufgeregt etwas schrie, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.
    Sein Oberkörper kippte nach vorne, und Speichel, vermischt mit Blut, tropfte aus dem Mund auf seine Hose.

6
    BERLIN-MITTE, PLATTENBAUSIEDLUNG,
21. NOVEMBER
    Irgendwann war Schluss gewesen. Für ihn, für die anderen, für seinen Chef, der ihn von heute auf morgen auf die Straße gesetzt hatte – ohne die arbeitsrechtlichen Regelungen einzuhalten. Sollten sich doch die Juristen mit dieser unrechtmäßigen Kündigung herumschlagen, hatte sich sein Chef wohl gedacht.
    Es war die logische Konsequenz aus seinem Verhalten. Zuletzt hatte er fast im Minutentakt Sätze wie »Das geht mir total auf den Sack« oder »Das geht mir megamäßig auf die Eier« von sich gegeben, wie eine kaputte Maschine, die ständig etwas Falsches ausspuckt. Paul Cancic war voller Hass auf die Firma und seine Kollegen gewesen, und die Firma hatte ihn gehasst. Am Anfang hatte er sich noch zusammengerissen und sich von seiner besten Seite gezeigt, wie man das so macht, wenn man neu irgendwo anfängt und die Probezeit überstehen will. Doch seine Fassade hielt genau bis zum Tag nach dem Ende der Probezeit, dann fing er an, ehrlich zu sein. In seiner Branche – der Werbung – ein Ding der Unmöglichkeit.
    In einem der stundenlangen Meetings war ihm irgendwann das sinnlose, hohle Geschwafel und die Profilierungssucht seiner Kolleginnen und Kollegen derart auf die Nerven gegangen, dass er mitten in einer der unzähligen Power-Point-Präsentationen einen sarkastischen Witz gerissen hatte. In den Augen der meisten war das völlig daneben gewesen. Seinem Chef, dem Leiter einer dreißig Mann starken Werbeagentur, hatte er einen weiteren Schock versetzt, als er einen Betriebsrat ins Leben rufen wollte. Der Mann hatte ihn daraufhin in sein Büro zitiert und ihm offen mit der Kündigung gedroht. Ab diesem Zeitpunkt hatte er auf der Abschussliste gestanden. Er hätte sich noch einmal herausmanövrieren können, wenn er sich den Gepflogenheiten angepasst und sich in das Team integriert hätte.
    Doch dann war der Super-GAU passiert, der in der Regel die Kernschmelze in einem Unternehmen der Werbebranche einleitet: Moral.
    Während der Produktpräsentation eines Lebensmittelherstellers, der durch geschicktes Sponsoring in Kindergärten seine zahnschädigenden Frucht-Joghurts an die Zielgruppe bringen wollte, hatte Paul ohne lange Umschweife erhebliche moralische Bedenken geäußert und die Idee einfach nur verwerflich gefunden. Er war aufgestanden und aus dem Raum gegangen, nicht ohne zuvor noch den einen Satz, für den er längst berüchtigt war – wenn auch in einer leichten Abwandlung –, von sich gegeben zu haben: »So was geht mir total auf den Sack.« Noch am selben Abend hatte die Kündigung unterschrieben auf seinem Schreibtisch gelegen.
    An seinen Job hatte er danach keinen Gedanken mehr verschwendet. Das Einzige, was ihn kurz wehleidig hatte werden lassen, war die Tatsache, dass er jetzt nicht mehr auf die vielen Partys und Events eingeladen wurde, bei denen sich die Branche selbst feierte. Er vermisste das nicht wegen der coolen Elektro-DJs oder der heißen Miezen, die in kurzen Röcken herumstaksten und sich mit tiefen Ausschnitten präsentierten, um ihre falschen Titten zu betonen. Nein, er vermisste das, weil dort immer in reichlichen Mengen Alkohol floss, und das umsonst.
    Sein Rausschmiss lag jetzt ein Jahr zurück, und obwohl die Arbeitsagentur Druck machte, hatte er bis jetzt noch keine neue Arbeit gefunden. Kreativbranche – schwer vermittelbar , hatte seine Betreuerin kurz und knapp befunden und ihn anfangs mit Jobangeboten in Ruhe gelassen. Doch seit die Politiker die Gesetze verschärft hatten, war die Schonzeit auch für Arbeitslose seiner Gattung abgelaufen, und in den letzten Wochen trudelten fast täglich Stellenangebote aus anderen Berufssparten ein.
    Während
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