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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Autoren: Christoph Lode
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halben!«
    »Letzte Woche, letzte Woche«, wiederholte Asher unwirsch. »Die letzte Woche ist vorbei, Junge, falls du’s noch nicht gemerkt hast. Ich brauch deine Knochen nicht. Krieg das Zeug karrenweise. Es gibt ja immer mehr von euch.«
    Damit hatte er leider nicht unrecht: Jede Woche nisteten sich neue Leute in den Abwasserkanälen ein, und die Schlange in der Alten Glasbläserei wurde von Tag zu Tag länger. Trotzdem wollte Jackon sich nicht so leicht geschlagen geben. »In der Seifensiederei könnte ich einen ganzen Schilling für die Knochen bekommen.«
    »Was du nicht sagst. Warst du schon mal dort?«
    »Ja«, log Jackon.
    »Gut. Dann weißt du ja, dass sie am anderen Ende der Stadt liegt. Geh ruhig zur Seifensiederei. In der Zwischenzeit durchwühlen deine Nachbarn dein Schlupfloch und klauen alles, was du nicht am Leib trägst.«
    »So etwas tun Schlammtaucher nicht«, gab Jackon kleinlaut zurück.
    »Ach ja, richtig, die berühmte Bettlerehre.« Asher schnaubte noch einmal. »Ich geb dir einen kostenlosen Rat, Junge: Nimm den Viertelschilling und schwirr ab, bevor ich’s mir anders überlege.«

    Er warf eine Münze über den Tisch. Jackon hob sie auf und steckte sie ein, obwohl er dem Lumpenhändler lieber ins Gesicht gespuckt hätte. Während er davonging, lachten die drei Männer über ihn.
    Einen lumpigen Viertelschilling, für einen ganzen Tag stumpfsinniges Warten bei seinen Netzen, für stundenlanges Hoffen, dass sich endlich einmal etwas darin verfing.
    Aber was hätte er tun sollen? Asher wusste genau, dass Jackon auf ihn angewiesen war. Er konnte jeden Preis zahlen, den er wollte.
    Jackon war zu hungrig, um sich in Selbstmitleid zu ergehen. Die Münze sicher in der Faust verwahrt, kehrte er der Glasbläserei den Rücken und eilte durch die unbewohnten Gassen, bis er zum Flussufer kam. Die Fischhändler bauten bereits ihre Stände ab und verstauten Kisten und Körbe auf ihren Booten. Möwen tummelten sich auf den alten Piers und Anlegestegen und stritten sich kreischend um die Fischabfälle. Vor den Garküchen am Rand des Hafenviertels herrschte Gedränge; Matrosen und Hafenarbeiter machten sich gierig über ihren Gerstenbrei oder Salzfisch her.
    Jackon lief das Wasser im Mund zusammen, als er den geräucherten Stockfisch roch, der auf den Tischen auslag. Er stellte sich irgendwo an, wurde jedoch verjagt, bevor er beweisen konnte, dass er Geld besaß. Schließlich fand er eine Garküche, wo auch Schlammtaucher bedient wurden. Der Viertelschilling reichte gerade einmal für etwas lauwarme Erbsensuppe und ein Stück knochenhartes Brot. Er hielt seinen Holznapf hin und bettelte so lange, bis ihm der Verkäufer eine halbe Kelle mehr gab und ihn mit einem Fluch zum Teufel schickte.
    Er suchte sich einen Platz auf der Ufermauer, wo er ungestört essen konnte, und ließ die Beine baumeln. Jeden Bissen kaute er so oft wie möglich; trotzdem quälte ihn der Hunger
anschließend schlimmer als vorher. Er war schon jetzt recht mager. Wenn das so weiterging, bestand er bald nur noch aus Haut und Knochen. Wenigstens bin ich dann kein Leckerbissen für die Ghule mehr , dachte er grimmig.
    Nachdem er aufgegessen hatte, blieb er noch eine Weile sitzen, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Er mochte das Flussufer. In seinem Rücken erstreckte sich die Grambeuge mit der Alten Glasbläserei, deren Bleidächer matt in der Sonne schimmerten, den alten Stadthäusern und den Hütten aus Holz, rostigem Blech und Segeltuch: ein Sammelsurium aus abenteuerlichen Konstruktionen, die gegen alle Erwartung dem Wind trotzten. Der Rauch von den Müllfeuern und Kohlepfannen vermischte sich manchmal mit den seltsamen Gerüchen vom Chymischen Weg, wo Alchymisten, Giftmischer und Wunderheiler Tag und Nacht mit exotischen und tödlichen Substanzen hantierten. Im Süden grenzte die Grambeuge an das Hafenviertel; die Bretterbuden wichen Lagerhallen, Werften und Tavernen mit Bleiglasfenstern, in denen Seeleute aus aller Herren Länder ein und aus gingen: dunkelhäutige Männer mit gezwirbelten Bärten aus Yaro D’ar, Kapitäne der aetherbetriebenen Schaufelbarken, die den Rodis hinauf- und hinunterschipperten, Walfänger aus Torle und Matrosen aus Ländern, die so fern und fremdartig waren, dass Jackon ihre Namen nicht aussprechen konnte. Auf der anderen Seite des Flusses lag der Luftschiffhafen Bradosts mit seinem Wald aus Ankermasten und den Hallen, die riesigen Muscheln ähnelten. Vom Flugfeld stiegen unaufhörlich
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