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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Autoren: Christoph Lode
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Fesselballons und Luftschiffe auf und schwebten am glühenden Abendhimmel wie Untiere aus grauer Vorzeit.
    Als die Sonne hinter dem Phönixturm versank, machte Jackon sich auf den Weg zu den Kanälen. Er entschied sich für einen Zugang im Hafenviertel, obwohl dies einen kleinen Umweg bedeutete. Aber nach dem Ärger mit Asher hatte er
keine Lust, anderen Schlammtauchern zu begegnen. Schlimm genug, dass er jeden Abend mit ihnen in der Glasbläserei zusammentraf. Heute hatten sie ihn in Ruhe gelassen, vermutlich weil ihnen der Vorfall mit den Ghulen zu schaffen machte. An den meisten anderen Tagen hatte er nicht so viel Glück.
    Bei den Kais stieg er eine steile Treppe hinab. Keinen halben Schritt über dem Fluss war ein schmiedeeisernes Tor in die Ufermauer eingelassen; braunes Wasser schwappte gegen die Schwelle. Jackon schlüpfte durch den Spalt zwischen den rostigen Torflügeln und betrat die Unterwelt von Bradost.
    Er war in den Abwassertunneln aufgewachsen und kannte sie wie seine Westentasche; er brauchte kein Licht, um sich darin zurechtzufinden. Außerdem war offenes Licht gefährlich: Manchmal bildeten sich faulige Dämpfe in den Tunneln, die sich leicht entzündeten und Gänge zum Einsturz brachten, wenn sie explodierten. Deshalb hausten die meisten Schlammtaucher in den Katakomben unter der Altstadt oder in Flussnähe, wo frische Luft in die Tunnel drang. In der Nähe des Hauptsammlers, wo es besonders gefährlich war, lebten nur die Ausgestoßenen: Mörder, Verrückte, Cholerakranke, Leute, die sich vor den Spiegelmännern versteckten - und Jackon.
    Er gelangte in eine Abwasserleitung, der er stadteinwärts folgte, indem er sich auf dem steinernen Steg neben dem Abwasserstrom hielt, seine Schritte zählte und auf die Geräusche in der Dunkelheit achtete. Als er den breiteren Haupttunnel erreichte, stieg er eine eiserne Leiter hinab und zwängte sich durch die zertrümmerten Überreste eines hydraulischen Tores. Sein Weg führte ihn durch Gänge und Hallen, die nur noch teilweise zum Abwassersystem Bradosts gehörten: uralte Zisternen, Keller und Schächte aufgegebener Manufakturen, vom Fluss ausgewaschene Höhlen, Kasematten vergessener Festungsanlagen. Nicht einmal Jackon wusste, wohin all diese Tunnel und Stollen führten. Einige waren viele Meilen lang
und erstreckten sich angeblich bis zu den alten Grabgängen und Beinhäusern tief unter der Stadt.
    Schließlich hörte er ein vertrautes Rauschen, das sich zu einem ohrenbetäubenden Tosen steigerte, als der Tunnel in den Hauptsammler mündete.
    Obwohl Jackon daran gewöhnt war, raubte ihm der Gestank schier den Atem. Aus mehr als einem Dutzend Leitungen stürzten die Abwässer in die gewaltige Zisterne, die mit ihren gemauerten Bögen und steinernen Rippen einer unterirdischen Kathedrale ähnelte. Fahles Licht aus einem Deckenschacht fiel auf Simse, Treppenfluchten und gusseiserne Geländer, bis es sich in der Dunkelheit verlor.
    Jackon fürchtete sich nicht vor der Finsternis; dennoch pochte sein Herz bis zum Hals, als er einem der Simse folgte. Denn er kannte die Gefahren, die dort unten in der Tiefe lauerten, nur zu gut.
    Er kletterte in eine mannshohe Abwasserleitung, und Erleichterung durchströmte ihn beim Anblick des fernen Lichtscheins. Einige Tunnelbewohner besaßen Gaslaternen, bei denen keine Gefahr bestand, dass sie die Dämpfe in den Gängen entzündeten. Ihre Besitzer löschten sie nie - die Ghule hassten helles Licht.
    Jackons Behausung befand sich am äußersten Rand der beleuchteten Tunnel, denn nicht einmal die Ausgestoßenen duldeten ihn in ihrer Nähe. Im Kanal waren seine Netze aufgespannt. Er überprüfte, ob sich etwas darin verfangen hatte, während er fort war, fand zu seiner Enttäuschung jedoch nur ein paar Knochen. Er stopfte sie in seinen Beutel, kletterte über die Planke, die über dem Abwasserstrom lag, und schlüpfte in eine Öffnung in der Tunnelwand. Dahinter befand sich sein Zuhause: eine kleine Kammer mit einigen Kisten, einem Bett aus strohgefüllten Säcken und einer rostigen Leiter, die zu einem Luftschacht führte.

    Er hatte im Tunnel keine Dämpfe gerochen und entschied, dass er ein wenig Licht riskieren konnte. Er zog eine Kiste hervor, die seine Schätze enthielt; Dinge, die er im Lauf der Jahre gefunden, gestohlen oder aus dem Kanal gefischt hatte: einen Kavalleriesäbel mit abgebrochener Klinge, ein Ersatznetz, eine löchrige Hose, einen Feuerstein und einen Kerzenstummel.
    Mit dem Feuerstein und einigen
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