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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Autoren: Christoph Lode
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ungefährlichsten.
    Rostige Ketten hingen von der Gewölbedecke. Es roch nach Asche und alter Schlacke. Enge Rampen führten zu den oberen Stockwerken des leer stehenden Gebäudes; Schutt türmte sich in eingestürzten Kellergängen auf, schwarze Schächte gähnten zwischen den Pfeilern aus brüchigen Ziegelsteinen.
Fackeln verströmten flackerndes Licht. Als Asher und seine beiden Handlanger hereinkamen, wuchsen ihre Schatten an den Wänden empor, bis sie die wartenden Schlammtaucher wie riesenhafte Dämonen überragten.
    Genau das sind sie , dachte Jackon verdrießlich. Drei hässliche, stinkende, nimmersatte Dämonen.
    Asher setzte sich; sein goldener Ohrring baumelte glitzernd hin und her. Während er in aller Seelenruhe seinen Becher mit Ale füllte, bildeten die Wartenden eine Schlange vor seinem Tisch. Jackon versuchte gar nicht erst, nach vorne zu gelangen. Mit seinen fünfzehn Jahren war er der jüngste, kleinste und schwächste Schlammtaucher. Hätte er sich vorgedrängelt, hätten die anderen ihn verprügelt oder, schlimmer noch, fortgejagt. Also nahm er das Unvermeidliche hin und stand ganz am Ende der Schlange.
    Schritt für Schritt rückten die Schlammtaucher vor, legten ihre Funde auf den Tisch, ließen sie von Asher schätzen und zogen mit ein paar Münzen in der Hand von dannen. Einer von Ashers Gehilfen schob sich eine dampfende Kartoffel in den Mund, kaute mit vollen Backen und spülte den Bissen mit Ale herunter. Der Anblick erinnerte Jackon daran, wie hungrig er war. Sein Magen knurrte so laut, dass es jeder im Keller hören musste. Er sehnte sich so sehr nach einer heißen Kartoffel, dass es schmerzte. Er wünschte, er hätte wenigstens ein bisschen Brot. Oder überhaupt irgendetwas zu essen.
    Um sich abzulenken, lutschte er einen Kieselstein und hörte den geflüsterten Gesprächen der anderen Schlammtaucher zu. Angeblich kam es wieder zu Unruhen, diesmal in Scotia und bei den Aetherküchen am Stadtrand, und die Geheimpolizei der Lady suchte seit Tagen ohne Erfolg nach den Rädelsführern. Für Jackon waren das Geschichten aus einer anderen Welt. Er war noch nie auf der anderen Seite des Flusses gewesen. Was kümmerte es ihn, was dort geschah?

    Sehr viel größere Sorgen bereiteten ihm die neusten Gerüchte über die Ghule.
    Der Mann vor ihm, ein dürrer Kerl mit einem Geschwür unter dem linken Auge, raunte seinen Kumpanen zu, in der vergangenen Nacht hätten die Ghule wieder jemanden geholt: die schwangere Alys, die so dumm gewesen war, sich beim Hauptsammler herumzutreiben. Als ihr Mann sich auf die Suche nach ihr machte, hörte er ihre Schreie und sah fahle Augenpaare in der Dunkelheit, bevor er Hals über Kopf floh. Niemand machte ihm einen Vorwurf. Gegen die Ghule konnte selbst der stärkste Mann nichts ausrichten. Außerdem war es Alys’ eigene Schuld.
    Jackon schluckte. Er hatte Alys gekannt. Und sein Unterschlupf befand sich ganz in der Nähe der Pumpstation. Nacht für Nacht hörte er das Stampfen und Zischen der riesigen Pumpen, aber manchmal drangen auch andere Geräusche aus dem schwarzen Abgrund des Hauptsammlers herauf, unheimliche Geräusche, und er hoffte stets, dass es nur die Ratten waren.
    »Na los, Junge, lass sehen, was du hast.«
    Jackon schrak auf. In seiner Besorgnis hatte er gar nicht bemerkt, dass er an der Reihe war.
    Asher hatte die obersten Knöpfe seines Wamses geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt und glotzte Jackon ungeduldig an. Der bullige Lumpenhändler hatte ein gerötetes Gesicht, denn er schüttete becherweise Ale in sich hinein, während er die Sachen der Schlammtaucher begutachtete. Jackon machte sich auf unangenehme Verhandlungen gefasst. Betrunken war Asher noch geiziger als sonst.
    Er öffnete seinen Beutel und schüttelte den Inhalt heraus.
    »Was soll das sein?«, knurrte Asher, als er aus den Knochen und Leinenresten einen Brocken Holz herausfischte.
    »Ein Stück von einer Wetterfahne«, sagte Jackon.

    Der Lumpenhändler schnaubte. »Schaut euch diese Rotznase an«, sagte er. »Bringt uns eine halbe Wetterfahne.«
    Seine beiden Helfer grinsten verächtlich.
    Ashers Augen verengten sich. »Verrate mir mal, Junge, was ich mit einer halben Wetterfahne anfangen soll.«
    Jackon schwieg. Dass seine heutige Ausbeute nicht gerade berauschend war, wusste er selbst.
    »Na schön«, meinte der Lumpenhändler. »Für die Knochen und das Leinen kriegst du einen Viertelschilling.«
    »Was? Letzte Woche gab’s für die gleiche Menge noch einen
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