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Paloma

Paloma

Titel: Paloma
Autoren: Alexandra Dannenmann
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ähnlich aus, diese Fremden?
    Und dann, sie hatten mittlerweile Anfang März, das Korn stand bereits eine Handbreit über dem Boden und auf den Kartoffelfeldern kamen die ersten Blattspitzen durch, da es tatsächlich einige Male tüchtig geregnet hatte, geschah eines Tages etwas ganz und gar Ungeheuerliches.
    So um die Mittagszeit kehrte der Vater mit dem Maultierkarren aus San Lorenzo zurück. An sich war das nichts Ungewöhnliches, nur dass er diesmal schon von weitem, er hatte noch kaum das Tor erreicht, laut und aufgeregt nach Paloma rief. Wie auf Kommando begannen die Gänse im Chor zu schnattern und es klang, als ob sie die Stimme des Vaters nachahmten.
    „...loma! ...loma!“ schnatterten sie.
    Paloma erschrak. Irgendetwas Schreckliches musste passiert sein, sie rannte so schnell sie nur konnte dem Vater entgegen. Der strahlte allerdings über sein ganzes Gesicht, denn nichts Schreckliches sondern etwas ganz Wunderbares war passiert. Auf dem Karren hatte der Vater eine Mobylette, ein motorisiertes Fahrrad, liegen. Eine nagelneue Mobylette.
    Aufgeregt lief Paloma neben dem Karren her, den das Maultier im gewohnten Zottelgang hinter sich herzog und klatschte ihm ein paar Mal ungeduldig mit der flachen Hand auf den Rist, um es anzutreiben. Im Hof angekommen, sprang der Vater vom Karren und dann standen sie beide da und sahen sich die ungewöhnliche Fracht an. Erst schweigend, dann redeten sie, beide gleichzeitig, und machten sich gegenseitig auf die wundervollen und gleichzeitig rätselhaften Stangen und Schrauben und Blech- und Eisenteile aufmerksam. Und darauf, wie schön sie doch war, diese Mobylette. Der Vater lachte so breit, dass sein Gesicht eine einzige Hügel- und Tallandschaft war.
    „Sieh nur, die Räder!“ Paloma berührte den schwarzen Gummimantel der Reifen, der sich anfühlte wie der warme, feuchte Teig, wenn sie Brot buk und strich vorsichtig über die glänzenden dunkelrot lackierten Blechteile.
    „Wem gehört das Motorrad?“, wollte sie wissen und wurde im gleichen Moment unsanft an der Schulter gepackt.
    „Mir. Mir allein.“ Der Vater schüttelte sie so, als ob sie ein Baum voll reifer Mandeln sei. „Stell dir vor, es gehört mir.“
    „Dir? Was erzählst du da?“
    „Doch. Mir. Mir. Mir.“ Der Vater ließ Paloma los und unterstrich seine Worte mit ungelenken Luftsprüngen, solange bis er sich schwer atmend auf den Karren stützen musste.
    „Und jetzt muss es vom Wagen runter. Komm, pack mit an.“
    Paloma sah, wie dem Vater die Knie zitterten, als er sich schwerfällig auf den Karren hinaufzog.
    „Aber ganz vorsichtig ... vorsichtig. Hast du gehört?“
    Oben auf dem Karren stehend, richtete der Vater das Zweirad auf und schob es dann Zentimeter für Zentimeter an den Rand des Karrens. Plötzlich machte das Maultier jedoch einen unerwarteten Schritt, so dass der Vater das Gleichgewicht verlor und fast mitsamt der Mobylette vom Karren gestürzt wäre.
    Er konnte sich gerade noch rechtzeitig fangen und als er wieder fest auf den Beinen stand, lachten sie einander an und Paloma spannte das Maultier aus. Gab ihm noch einen Klaps aufs Hinterteil, damit es sich unter die Olivenbäume trollte.
    „Jetzt ... beide zusammen“, rief der Vater und sprang begeistert auf dem Karren auf und ab, bis er bedrohlich zu knarren und wackeln begann.
    Paloma griff nach dem Vorderrad, während der Vater das Hinterrad anhob und so hievten sie das Motorrad gemeinsam auf den Boden.
    Und da stand es nun, aufgebockt und in eleganter Schräglage, als ob es gerade eine Kurve nehme und sah dadurch doppelt so wunderbar aus wie oben auf dem Karren. Und doppelt so schön wie alle anderen Motorräder, die Paloma je gesehen hatte.
    „Und es gehört wirklich dir?“, vergewisserte sie sich noch einmal, während der Vater mit dem Jackenärmel über das Metall des Lenkers fuhr, das ein paar Fingerabdrücke abbekommen hatte.
    „Wenn ich doch sage. Ich hab’s gekauft und bezahlt und also gehört es mir.“
    Um seiner Aussage noch mehr Nachdruck zu verleihen, setzte er den linken Fuß auf das Pedal, schwang vorsichtig das rechte Bein über den Sattel und saß dann, die Hände auf der Lenkstange, mit hoch erhobenem Haupt, wie aus Stein gemeißelt da. Schweißtropfen liefen ihm über die Stirn bis in seine buschigen grauen Augenbrauen, aber seine Augen glitzerten stolz.
    „Jetzt ich.“ Paloma zupfte an seiner Jacke.
    „Du nicht, ein Motor ist nichts für Frauen.“
    Und damit hatte die Mobylette einen Namen. Solange
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