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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme
Autoren: Alyssa Deane
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Fremde. »Kommen Sie, lassen Sie mich Ihnen helfen. Ich werde Sie im Handumdrehen an Ihr Ziel bringen.« Ohne ihre Zustimmung abzuwarten, wandte er sich an den Kutscher und sprach rasch in dessen Muttersprache auf den Mann ein. Im Nu waren alle Gepäckstücke, die Roxane versucht hatte, den übereifrigen Helfern abzuringen, auf den Karren geladen. Mit lautem Schnalzen trieb der Kutscher sein Pferd an. Die kleine Gruppe zerstreute sich, nachdem der Offizier jedem der Umstehenden eine Münze in die ausgestreckte Hand gedrückt hatte.
    »Das wäre eigentlich meine Aufgabe gewesen«, murmelte Roxane irritiert.
    »Unsinn«, entgegnete der Fremde. »Ein paar Stunden später wären allerdings meine Taschen leer gewesen.« Er lachte, als Roxane fragend die Augenbrauen hochzog. »Ich bin nicht mittellos, aber in diesem Teil der Welt trägt ein Mann nur selten Bargeld bei sich. Es mag eine dumme Angewohnheit sein, die ich jedoch mit der gesamten europäischen Bevölkerung teile.«
    Roxane warf dem Mann unter dem Rand ihres Sonnenhuts wortlos einen prüfenden Blick zu.
    »Also gut«, fuhr der Mann fort, nachdem er ohnehin schon alles in die Wege geleitet hatte. »Wenn Sie bereit sind, die Hilfe eines Gentlemans anzunehmen, werde ich Sie selbst fahren. Hier entlang, bitte.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Einspänner mit Verdeck. Der Rotschimmel im Geschirr wartete ungeduldig und stampfte mit einem schmalen, beschlagenen Huf auf die festgestampfte Erde.
    Roxane blieb stehen. »Reißen Sie immer gleich das Kommando an sich?«
    Der Mann, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte, blieb stehen und wandte sich um. »Wie bitte?«
    »Ich habe Sie gefragt, ob Sie immer sofort das Kommando übernehmen«, wiederholte Roxane.
    Einen Augenblick lang dachte der Offizier mit gerunzelter Stirn über ihre Worte nach, dann begann er zu lachen. »Sie müssen mir verzeihen«, bat er schließlich. »Ich nehme an, dass diese Unzulänglichkeit beruflich bedingt ist. Aber was haben Sie denn von mir erwartet?«
    »Ich bin der Meinung, dass Sie sich ein wenig zurückhaltender hätten verhalten sollen, Sir.«
    »Und ich finde, dass Sie ruhig ein wenig Dankbarkeit zeigen könnten«, entgegnete der Fremde. »Ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten, und Sie haben sie angenommen, nicht wahr? Außerdem sind Ihre Sachen nun bereits auf dem Weg, mein Fräulein, und Sie müssen ihnen folgen.«
    Roxane drehte sich um und starrte mit weit aufgerissenen Augen der Kutsche hinterher. Der Wagen war kaum mehr zu sehen, als er durch die belebte Straße rumpelte und dabei eine braune Staubwolke aufwirbelte. »Ich nehme an, das muss ich wohl«, sagte sie.
    »Sie können natürlich auch zu Fuß gehen, wenn Sie möchten«, erklärte der Offizier. »Allerdings wäre ich nicht gut beraten, das zuzulassen. In der europäischen Gemeinschaft bleibt nur wenig verborgen, und meine Nachlässigkeit würde sich rasch herumsprechen. Ich könnte meinen Ruf als Gentleman verlieren.«
    Er lächelte und verlieh seinen nüchtern vorgetragenen Worten damit einen Beiklang von unbezähmbarem Humor. Roxane hatte Mühe, keine Miene zu verziehen.
    »Haben Sie denn einen Ruf zu verlieren?«, spottete sie.
    »Ich denke schon«, erwiderte er mit gespielter Entrüstung. Roxane drehte sich auf dem Absatz um.
    »Also gut«, erklärte sie. »Dann werde ich Ihr Angebot annehmen und mit Ihnen kommen.«
    Sie raffte ihren Rock mit beiden Händen und ging zu dem wartenden Einspänner hinüber. Der Offizier blieb noch einmal kurz stehen, um ein paar Worte mit einem Einheimischen zu wechseln, den er offensichtlich kannte. Roxane legte eine Hand auf den lackierten Rand der Kutsche und beobachtete ihn, wie er sich rasch von dem anderen Mann verabschiedete. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und lächelte. Ungeduldig atmete Roxane tief ein und kletterte in den Einspänner, ohne auf seine Hilfe zu warten. Während sie ihren Rock auf dem mit Gabardine bezogenen Sitz zurechtrückte, schwang der Offizier sich auf den Platz neben sie. Der helle Stoff seiner Uniform wirkte angenehm kühl gegen den dunklen gerippten Wollstoff des Sitzbezugs. Er stieß einen Pfiff aus und ließ die Zügel über dem Rücken des Rotschimmels schnalzen. Die Kutsche setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und beschrieb rasch einen großen Halbkreis. Roxane schnappte nach Luft, während sie abwechselnd nach ihrem Sonnenhut griff und den Rand des Sitzes umklammerte, damit weder der Hut noch sie aus der Kutsche fielen. Obwohl der
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