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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme
Autoren: Alyssa Deane
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Roxane drehte sich im Sitzen rasch um und schirmte ihre Augen mit einer Hand ab. »Oh! Captain Wayland«, begrüßte sie den Schiffsoffizier. »Ist das nicht wundervoll?«
    »Dass man Sie versetzt hat?«, erwiderte der Captain und zog belustigt seine buschigen Augenbrauen in die Höhe.
    Roxane lachte kehlig und strahlte ihn an. »Ich meinte Indien, Sir. Oder sollte ich sagen, das, was ich bisher davon zu Gesicht bekommen habe?«
    Der Schiffskapitän zuckte unverbindlich die Schultern. »Hatten Sie nicht erwähnt, Miss Sheffield, dass Ihre Verwandten Sie abholen würden?«
    »Nicht meine Verwandten, Captain – Bekannte meines Vaters. Ich werde bei ihnen wohnen, bis ich nach Delhi abreise.«
    »Sie haben sich verspätet«, stellte der Captain fest.
    »Ich bin sicher, dass es einen Grund für diese Verzögerung gibt«, entgegnete Roxane.
    »An Ihrer Stelle würde ich nicht allzu lange hier warten«, riet er ihr. »Ich habe leider etwas Dringendes zu erledigen, sonst würde ich bei Ihnen bleiben, aber …« Seine raue Stimme verlor sich; offensichtlich fiel ihm die Entscheidung schwer. Roxane hatte keinen Zweifel daran, dass er sich nach einem kühlen Glas Ale oder einer anderen köstlichen Entschädigung für die Wochen auf See sehnte. Rasch befreite sie ihn aus diesem Dilemma.
    »Bitte, Captain, Ihr Angebot ist sehr galant, aber es gibt keinen Grund, Ihre Pläne zu ändern«, erklärte sie. »Ich bin sicher, dass es sich um keine bedeutende Verspätung handeln wird.«
    »Das will ich hoffen, Miss Sheffield. Ich würde Ihnen empfehlen, sich einen schattigen Platz zu suchen. In der Sonne wird es schon bald unerträglich heiß werden, vor allem für jemanden wie Sie, der die indische Hitze noch nicht gewöhnt ist.«
    »Vielen Dank, Captain, ich werde Ihren Rat befolgen«, antwortete Roxane, fest davon überzeugt, dass der Mann übertrieb. Die Morgenluft war mild, und die Brise, die vom Fluss Hugli herüberwehte, brachte zwar verschiedene Gerüche mit sich, strich aber angenehm über ihre Haut, kräuselte die Seidenbänder an ihrem Strohhut und fuhr unter den gebogten Rand ihrer Bluse. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah Roxane dem Captain hinterher, der sich mit dem breitbeinigen, leicht schwankenden Gang, den er sich seit vielen Jahren angewöhnt hatte, von ihr entfernte. Sie stieß einen zufriedenen Seufzer aus und setzte sich wieder bequem zurecht, um weiter zu warten und dabei ihre Umgebung zu betrachten.
    Nach zwei Stunden klebte ihr Kleid an ihrer Haut, ihr Korsett drückte unerträglich, und ihr modischer, mit Rüschen besetzter Sonnenhut bot nur wenig Schutz gegen das grelle, gleißende Sonnenlicht. Roxane entschied, nicht länger warten zu können.
    Sie erhob sich von ihrem Schrankkoffer und spielte mit dem Gedanken, in einem in der Nähe gelegenen Hotel ein kühles Getränk zu sich zu nehmen, nachdem sie den immer noch nicht erschienenen Stantons eine Nachricht hinterlassen hatte. Doch sie wollte ihre Habseligkeiten nicht unbeaufsichtigt zurücklassen. Nachdem sie einen Moment darüber nachgedacht hatte, winkte sie eine Ghari heran, eine der vielen zu mietenden Pferdekutschen, die durch die Straßen rumpelten. Der einheimische Kutscher lenkte sein Pferd an den Straßenrand und zog die Zügel an.
    »Guten Morgen«, begrüßte Roxane ihn. Der dunkelhäutige Mann nickte betont höflich, wobei er die Handflächen aneinanderpresste und die Fingerspitzen in einer feierlichen, unterwürfigen Geste an sein Kinn legte.
    »Ich möchte«, fuhr Roxane in deutlicher englischer Aussprache fort, um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden, »zum Haus von Colonel und Mrs Stanton gebracht werden.«
    »Stanton«, wiederholte der Mann liebenswürdig. Roxane gefiel die Art, wie er die Vokale aussprach. Sie nickte ihm ermutigend zu und gab ihm die Adresse.
    »Stanton, ja«, sagte der Mann noch einmal. Sein runzeliges Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an. Er fuhr sich mit einem langen, dünnen Finger unter den Rand seines Turbans und kratzte sich am Kopf. Sein Gewand aus Musselin flatterte in der warmen Brise. Roxane spürte, wie ihre Haut unter ihrem schweren Kleid immer feuchter wurde.
    »Haben Sie mich verstanden?«
    Der Kutscher sah sie ausdruckslos an.
    »Sprechen Sie Englisch? Angrezi?« Sie benutzte das Wort, das sie gelesen hatte, aber da sie der Sprache nicht mächtig war, war ihre Aussprache sicher falsch. Der Kutscher runzelte die Stirn und zog seine buschigen Augenbrauen über der Hakennase nach oben.
    Um sie
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