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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme
Autoren: Alyssa Deane
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herum hatte sich ein halbes Dutzend Einheimische versammelt, die sich drängelten und schubsten, um besser sehen zu können. Rasch ausgestoßene Bemerkungen flogen durch die Luft. Der Fahrer auf dem Kutschbock betrachtete sie aus seinen dunklen Augen immer noch mit höflichem Interesse und legte den Kopf zur Seite. Roxane ließ den Blick über die Menge schweifen und stellte bedauernd fest, dass keine Europäer mehr zu sehen waren. Sie drehte sich wieder um und versuchte zögernd, sich mit Gesten verständlich zu machen.
    »Ich möchte«, begann sie und deutete dabei auf sich, »fahren«. Sie zeigte mit einer Geste eine Bewegung an. »In Ihrer Kutsche …« Der Kutscher riss die Augen auf, als sie mit dem Finger auf ihn zeigte. »Würden Sie mich …« Sie zeigte wieder auf sich. »… zu meinem Ziel bringen?«
    Der indische Fahrer beobachtete ihre Handbewegungen aufmerksam, bis er sich schließlich bei ihren verzweifelten Bemühungen ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte. Er sagte etwas, das sie nicht verstand, die umstehenden Männer aber zum Lachen brachte. Nach einigen hastig gesprochenen Worten griff ein Dutzend Hände rasch nach ihren Gepäckstücken, offensichtlich in dem Bemühen, ihre Kisten und den Schrankkoffer auf die Kutsche zu laden. Roxane sah den Männern zu und stellte sich vor, wie sie gleich auf ihrem Gepäck sitzend auf einer endlosen Suche nach ihrem Ziel durch die vor Hitze glühenden Straßen gekarrt werden würde. Plötzlich wurde ihr klar, in welch komischer Situation sie sich befand, und sie lachte laut los, als ihr bewusst wurde, wie hilflos und dumm sie sich gerade anstellte. Sie trat einen Schritt zurück und bedeutete den Männern einzuhalten, obwohl sie sich in dem Tumult kaum verständlich machen konnte. Es gelang ihr nicht aufzuhören zu lachen. Die Männer mit ihren Gepäckstücken in den Händen sahen sie erstaunt an und stimmten langsam in ihr Lachen ein.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Roxane drehte sich rasch um, erleichtert, eine englische Stimme zu hören. »Aber ja!« Sie lächelte immer noch, doch dann zögerte sie und trat einen Schritt zurück. Der steife Stoff ihres Rocks stieß gegen die harte Kante des Schrankkoffers und gegen ihre Beine. Vor ihr stand ein britischer Offizier in einer sommerlichen Regimentsuniform und musterte sie mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. Ihrer Schätzung nach war er sieben oder acht Jahre älter als sie. Er war groß – mindestens einen Meter achtzig –, und sein kohlschwarzes Haar, das unter seiner Mütze hervorlugte, passte zu seiner sonnenverbrannten Haut und ließ ihn wie einen Einheimischen aussehen, obwohl sein vertrauter Akzent verriet, aus welchem Land er stammte. Auch sein Gesicht zeigte deutlich seine Herkunft, obwohl seine Kinnpartie für einen Engländer ungewöhnlich kräftig ausgeprägt war. Seine Augen waren graublau – schieferfarben, wie sie dachte. Nein, Schiefer war zu stumpf und leblos. Es war etwas anderes …
    Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als ihr bewusst wurde, dass sie aus diesen Augen, die sie so neugierig betrachtet hatte, ebenso wissbegierig gemustert wurde. Außerdem schien der Betrachter irgendetwas an ihr überaus amüsant zu finden. Sie runzelte die Stirn. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass dieser attraktive Mann sie so unverhohlen und belustigt anstarrte.
    »Sind Sie gerade von dem Schiff gekommen?«, fragte er schließlich.
    Mit einer Handbewegung deutete Roxane auf ihre Habseligkeiten, die die Männer um sie herum zögernd wieder auf den Boden gestellt hatten.
    »Ich verstehe«, sagte der Mann. »Und Sie sind allein? Ist niemand gekommen, um Sie abzuholen?«
    »Anscheinend hat man mich vergessen«, meinte Roxane. »Deshalb versuche ich gerade, eine Beförderung zum Haus meiner Gastgeber zu organisieren.«
    »Wie lange warten Sie hier schon?«
    »Etwas über zwei Stunden.«
    »In der Sonne? Wie unvorsichtig. Hat Sie denn niemand davor gewarnt?«
    Sein Lächeln begann sie allmählich wütend zu machen.
    »Doch, das hat man«, entgegnete Roxane, und ihre Stimme verriet ihren Zorn und klang so scharf, wie sie es sich normalerweise nie gestattet hätte. »Solche Warnungen helfen mir im Augenblick allerdings in keiner Weise. Die Stantons müssen wohl …«
    »Colonel Stanton?«, unterbrach der Mann sie.
    »Ja.« Roxane wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Kennen Sie ihn?«
    »Wir begegnen uns hin und wieder bei gesellschaftlichen Ereignissen«, erklärte der
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