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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zerfurchtes Gesicht und gab ihm ein unheimliches Aussehen. Ohne ein Wort zu sprechen, nahm der Portier ihren Ausweis entgegen und trug die Personalien ein. Er blickte auf. Seine rot geäderten Augen wanderten suchend umher.
    Â»Wo ist Ihr Gepäck?«
    Â»Es … es wird nachgeschickt. Ich musste übereilt aufbrechen, ein … ein Krankheitsfall.«
    Carla vernahm ihre zerfaserte Stimme, übertönt von einem Rauschen in den Ohren.
    Der Portier schnaufte. Carla hörte Verachtung in seinem Atem.
    Er reichte ihr den Zimmerschlüssel.
    Â»Zimmer 17.«
    Er zeigte, den Kopf schräg von unten in die Tiefe des Raumes geneigt, auf den dunklen Treppenaufgang mit seinen ausgetretenen Stufen.
    Von Müdigkeit gezeichnet, stieg Carla die knarrende Treppe empor. Das Zimmer befand sich am Ende des Flures. Ihre Hand war nicht in der Lage, das Schlüsselloch zu treffen. Endlich gelang es ihr, die Tür aufzuschließen. Sofort klappte sie die Tür hinter sich zu und schloss ab. Kalter Zigarrenrauch stieg ihr in die Nase. Sie ließ ihren Blick durch den dunklen Raum schweifen. Ein Bett mit Eisengestell, ein kleiner Tisch am Fenster, davor ein Stuhl mit verschlissenem Bezug. Verblichene, vormals grüne Vorhänge. Das Fenster lag zum Hinterhof, vis-à-vis eine graue Mauer. An der gegenüberliegenden Wand klaffte ein Stück eingerissene Tapete hervor, darunter befand sich ein kleines Waschbecken mit Sprung.
    In stumpfer Erschöpfung setzte sie sich auf die Bettkante, holte ihr Essen aus der Tasche, öffnete die Wasserflasche, nahm einen kräftigen Schluck. Sie biss vom Brötchen ab, kaute ohne Empfindung, saß und kaute, bis sie sich ermattet auf die Matratze zurückfallen ließ und in einen bleiernen Dämmerzustand sank. Sie wünschte sich einzuschlafen, aber der Schlaf verweigerte sich ihr. Die Gedanken rasten. In diesem Hotel konnte sie nicht lang bleiben. Der Portier hatte ihren Namen eingetragen. Wenn man sie suchte? Was hatte sie getan? Wo war sie? Auf welchem Weg? Wohin würde er sie führen? Plötzlich sah sie vor ihren Augen Bilder aufblitzen. Carla schnellte vom Bett hoch. Sie griff nach der Tasche, schloss mit bebenden Fingern die Tür auf und stürzte aus dem Hotelzimmer. Tot, die Vergangenheit war tot!

Lebende Bilder
    Die Vorstellung war beendet. Ein fröhliches Knäuel von Punktkleidchen, Matrosenanzügen, Knickerbockern, Hosenträgern, Jacken, Käppchen und Ballonmützen schob sich zur Tür hin. Theo beobachtete die lachenden Mädchen und Jungen, die mit glühenden Wangen zum Ausgang strebten. Sie fanden am meisten Vergnügen an den Films.
    Vor einem Jahr hatte er die Kinder im Viertel mit Werbezetteln durch die Straßen geschickt.
    â€ºNeu eröffnet! Neu eröffnet!
    PALAST DER SCHATTEN, Elite-Programm.
    Die Bilder werden während der Vorführung durch den Rezitator Theo Blum erklärt, wodurch die
    zahlreichen Handlungen besonders interessant
    und verständlich werden …‹

    Seither wurde sein Kino sehr gut besucht. Theo verspürte Sehnsucht nach Simon. Er hatte seinen Palast einzig und allein Simon zu verdanken. Wenn er nicht gewesen wäre … Theo sah den alten Mann vor sich, das schmale Gesicht mit den lebendigen Augen unter dem breitkrempigen Schlapphut. Simon hatte ihm ein neues Leben geschenkt, ein Leben, das er liebte, wie er Simon geliebt hatte, und das er niemals verlieren wollte.
    Ein klebriges Gefühl machte sich in Theo breit. Er roch die Keksfabrik. Jeden Morgen hatte er sich über das Straßenpflaster zum Fabriktor geschleppt. Jeden Morgen hatte er seine Marke gezeigt, war die Treppe zu den Kellerräumen hinabgestiegen und hatte seinen Spind geöffnet. Jacke aus, Mütze ab, Kittel an, Haube auf, betrat den Backraum, stellte sich an seinen Platz vor die Teigmaschine, die im spärlichen Licht der Glühbirne auf ihn wartete. Der Boden, die Wände und die Decke waren von dem unerträglich heißen Dampf, der durch die Halle waberte, mit einer feuchtglitschigen Schicht überzogen.
    Die Arbeit begann. Mit dem Kübel in den Mehlraum, Eimer füllen, zurück in den Backraum, wieder raus, wieder rein. Bottich vollschütten, Trockenmilch rein, Fett dazu, Zucker drauf, Knetarm runter, Motor an. Teig raus. Mehl rein, Teig raus, Mehl rein, Teig raus. Hitze, Schweiß. Teig-Theo klebt. Theo ist Teig. Theo sitzt im Bottich und wird geknetet. Theo rein, Theo
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