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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sich. Theo setzte seinen Zylinder auf. Das aufgeregte Plappern verstummte.
    Â»Hochverehrtes Publikum, liebe Kinder! Als Erstes zeigen wir: ›Die abenteuerliche Reise des Lokomotivführers‹. Dort geht es nicht mit rechten Dingen zu. Hexerei und Magie sind im Spiel. Seht selbst. Gleich ist es so weit. Ihr glaubt nicht an Wunder? Ich garantiere, nach diesem Film glauben alle im Saal an Zauberei …«

Endstation
    Der Rauch der Lokomotive bildete weiße Wolken vor dem Fenster. Hinter dem Dunst zogen Strommasten und Weichen vorüber. Wieder durchzog Carla ein kalter Schauer. Eine unsichere, schutzlose Zukunft lag vor ihr. Der Zug verlangsamte seine Geschwindigkeit, die Lok rollte in den Bahnhof ein, schnaufte in zischenden Stößen den letzten Dampf aus. Das Räderwerk bremste in schrillen Tönen. Ein letztes Fauchen, ein letztes Quietschen, das in einem kurzen Klageton endete. Der Zug stand still, die Schaffner öffneten die Türen. Gepäckträger eilten herbei, müde und mürrische Männer, vor deren Mündern Atemfahnen in den frühen Morgen schwebten. Ihre Stimmen schepperten blechern durch die Halle, untermalt von den Kofferkarren, die über den Bahnsteig rumpelten.
    Carla stelzte die Metallstiege der Zugtür hinab. Unschlüssig blieb sie auf dem Bahnsteig stehen, ihre Tasche ängstlich an den Körper gedrückt. Der dicke Mann aus ihrem Coupé stieg nach ihr aus. Sie fasste allen Mut und fragte ihn nach einem Hotel. Seine wulstigen Augenbrauen hoben sich. Er schaute sie erstaunt an.
    Â»Ein Hotel? Haben Sie denn nichts vorgebucht?«
    Â»Ein Krankheitsfall«, stammelte Carla. »Ich musste übereilt aufbrechen.«
    Er zog Stift und Zettel aus der linken Innentasche des Mantels, notierte Namen und Adresse eines Gasthofes, der ihrer fragwürdigen Erscheinung entsprach, überreichte ihr die Notiz und wies mit dem Arm zum Nordausgang.
    Â»Sie können es nicht verfehlen.«
    Ein kurzes Nicken, dann schlug er die entgegengesetzte Richtung ein.
    Carla sah ihm nach. Er drehte sich noch einmal um. Ihre Blicke streiften sich.

    Sie eilte durch die Bahnhofshalle, erschrak über einen Polizisten, der den Gang auf und ab stolzierte. Er schien sie nicht wahrzunehmen und sie beruhigte sich. An einem Kiosk kaufte sie Seife, Zahnpasta, Zahnbürste, eine Flasche Mineralwasser und ein Brötchen, verstaute den Einkauf in ihrer Tasche und machte sich auf den Weg ins Hotel.

    Sie folgte einer langen Straßenschlucht, die zu beiden Seiten von hohen, aneinandergrenzenden Häusern gesäumt war. Rollläden von Geschäften ratschten in die Höhe, Fensterläden klapperten. Frauenhände legten Betten über die Brüstung und schüttelten Staubtücher aus.
    Zwei Männer zogen einen Obstkarren aus einer Toreinfahrt. Der Duft der Früchte mischte sich mit dem Geruch von Schmierseife einer Treppenstiege und fauligen Abfällen am Straßenrand.
    Straßenfeger, mit breiten Besen bestückt, nahmen ihre Arbeit auf. Einer von ihnen stützte sich auf den Stiel und spie in einen Spucknapf.
    Eine Gruppe von Schulkindern kam Carla entgegen, mit Schweinslederranzen auf dem Rücken und Brotbeuteln vor der Brust, die Mädchen trugen Schleifen im Haar, die Jungen große Ballonmützen auf dem Kopf. Carla ließ die Kinder passieren. Hinter ihr ertönte eine Autohupe im Klang einer Kindertrompete. Jäh schreckte Carla zusammen. Auf einer Bank erwachte ein Bettler. Er kratzte sich unter dem Arm, richtete sich mühsam auf, griff zur Flasche, die zu seinen Füßen stand, setzte sie an die Lippen, warf sie wütend zu Boden. Dann erhob er sich, um eine Zigarettenkippe aufzusammeln.
    Carla beschleunigte ihre Schritte. Würde auch sie als Obdachlose enden?
    Bauarbeiter mit Spitzhacken stiegen aus einem Lastwagen. Sie begannen, die Steinschicht neben den Straßenbahnschienen aufzustoßen. Carla dröhnten ihre Schläge in den Ohren. Jeder Hieb erinnerte sie an … Weiter, weiter.
    â€ºMeyers Gasthof‹ las sie auf dem verwitterten Schild. Ein graues Gebäude, dessen Fassade von Mauerrissen durchzogen war. Hinter den von Straßenschmutz bespritzten Fenstern hingen rauchvergilbte Gardinen, die den Blick ins Innere verwehrten.
    Zögernd betrat sie den Empfangsraum. An der nur spärlich beleuchteten Rezeption hockte ein alter, ungepflegter Mann in abgewetzter Livree. Der Schein der Tresenlampe erhellte sein
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