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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Geistliche von Ista wissen.
    Du weißt ganz genau, dass es tatsächlich ein Dämon ist. Weshalb stellst du mir diese Frage? »Nun, ich nehme an, der Erzprälat wird wissen, was es ist und was man damit zu tun hat.«
    Diese wachsame Antwort entlockte dem Geistlichen ein schwaches Lächeln. »In der Tat, es ist kein allzu bemerkenswerter Dämon.« Er ließ den Käfig wieder in der Satteltasche verschwinden. »Ich würde sagen, es ist nicht mehr als ein Elementargeist, unbedeutend und gestaltlos. Er ist wohl noch nicht lange in unserer Welt; deshalb ist es unwahrscheinlich, dass er jemanden zur Zauberei verführen kann.«
    Ista war ganz sicher nicht in Versuchung. Aber sie wusste nun, warum er verschwiegen sein musste. Genau wie man durch ein Pferd zum Reiter wurde, so wurde man zu einem Zauberer, indem man einen Dämon aufnahm. Aber man konnte leichter ein guter Reiter als ein guter Zauberer werden, denn wie ein Pferd konnte auch ein Dämon mit seinem Meister durchgehen, ein Zauberer aber konnte sich nicht von seinem Dämon lösen. Und das machte einen Dämon zu einer Gefahr für die Seele und zu einer Angelegenheit für die Kirche.
    Caria wollte wieder das Wort ergreifen, doch die Gruppe war nun an die Stelle gelangt, wo der Pfad zur Burg von der Hauptstraße abzweigte. Dy Ferrej lenkte sein Pferd zur Seite. Was immer die Witwe aus Palma noch hatte sagen wollen, sie beschränkte sich auf ein fröhliches Winken zum Abschied, während dy Ferrej Ista entschlossen von den Pilgern fortlenkte.
    Als sie die Böschung hinunter und unter die Bäume ritten, blickte er noch einmal über die Schultern. »Was für ein ungehobeltes Weib. Ich möchte wetten, dass sie nicht einen frommen Gedanken hat! Sie missbraucht diese Pilgerfahrt doch nur, um sich ein paar freie Tage zu machen, ohne dass ihre Verwandten etwas dagegen einwenden können. Und um sich billig ein paar bewaffnete Begleiter für die Reise zu verschaffen.«
    »Ich nehme an, da habt Ihr Recht, dy Ferrej.« Ista blickte ebenfalls zurück und beobachtete, wie die Pilgerschar über die Hauptstraße davonzog. Witwe Caria beschwatzte inzwischen den Geistlichen des Bastards, einen Choral mit ihr anzustimmen, obwohl das von ihr vorgeschlagene Stück eher nach einem Sauflied klang.
    »Und es war nicht ein Mann aus ihrer Familie zu ihrer Unterstützung dabei«, fuhr dy Ferrej ungehalten fort. »Was den fehlenden Ehemann abgeht, kann sie wohl nichts dafür. Aber man sollte doch meinen, sie könnte zumindest einen Bruder oder Sohn auftreiben, oder wenigstens einen Neffen. Tut mir Leid, dass Ihr das über Euch ergehen lassen musstet, Majestät.«
    Hinter ihnen war ein Duett zu hören, nicht ganz harmonisch, doch der gute Wille war deutlich zu vernehmen. Das fromme Lied verklang, als die Pilgergruppe sich entfernte.
    »Mir tut es nicht leid«, sagte Ista und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Mir nicht.

 
2
     
     
     
    I
    sta saß im Rosengarten ihrer Mutter und zwirbelte unruhig ein Taschentuch zwischen den Fingern. Ihre Zofe saß dabei und arbeitete an einer Stickerei, mit einer Nadel, die so dünn war wie ihr Verstand, aber viel schärfer. Zuvor hatte Ista die frische Morgenluft genossen und war eiligen Schrittes im Garten auf und ab gegangen, bis die Zofe sie schließlich laut angefleht hatte, damit aufzuhören. Jetzt blickte sie kurz von ihrer Näharbeit auf und schaute auf Istas Hände, bis diese gereizt das missbrauchte Stück Leinen beiseite legte und stattdessen mit einem ihrer seidenbeschuhte Füße unruhig auf den Boden zu pochen begann. Nein, nicht unruhig – zornig!
    Ein Gärtner lief geschäftig umher und goss die Blumen, die zur Jahreszeit der Tochter an sämtlichen Eingängen in Kübeln standen. So war es jahrelang gewesen, unter der Aufsicht der alten Herzogin. Wie lange würde es wohl dauern, bis sich diese alten Gewohnheiten verloren? Oder würde es ewig so weitergehen, als wachte der pedantische Geist der alten Herrin weiterhin darüber, dass sämtliche Pflichten erfüllt wurden? Nein, die Seele der Herzogin befand sich nun in der Obhut der Götter und hatte diese Welt endgültig verlassen. Es gab keine neuen Geister in der Burg, denn wenn es so wäre, hätte Ista ihre Gegenwart gespürt. Sämtliche verlorenen Seelen, die in der Burg umgingen, waren alt und müde und schwanden dahin, kaum mehr als kalte Stellen an den Wänden bei Nacht.
    Zwischen gespitzten Lippen stieß Ista den Atem aus und spannte beide Füße ein. Tagelang hatte sie gewartet, bevor
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