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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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befürchten. Als Nächstes stellte Caria aus Palma ihre Mitpilger vor und erklärte Ista in aller Ausführlichkeit deren Herkunft, den Reiseweg und die religiösen Ziele; wenn sie weit genug außer Hörweite waren, steuerte Caria auch noch ihre Meinung bei, was das Verhalten und die Sittlichkeit eines jeden betraf. Neben dem belustigten altgedienten Ordensritter und seinem schüchternen Sohn zählten vier Mitglieder einer We berzunft zu der Gruppe. Sie waren unterwegs, um den Wintervater um den erfolgreichen Ausgang eines Rechtsstreits zu bitten. Ein Mann in den Farben der Sommermutter betete für die Gesundheit seiner Tochter, die kurz vor der Entbindung stand, und eine Frau mit den blauen und weißen Farben der Frühlingstochter betete darum, dass ihre Tochter überhaupt einen Ehemann fand. Eine dünne Person trug die Roben einer Akolythin der Kirche der Mutter, die von besonders edlem Zuschnitt waren; sie reiste in Begleitung einer persönlichen Zofe und zweier Diener. Wie sich herausstellte, war sie weder Hebamme noch Ärztin, sondern Revisorin. Außerdem reiste ein Weinhändler mit, um dem Wintervater für seine sichere Heimkehr zu danken und einen Eid zu erfüllen, den er im letzten Winter geleistet hatte, als sein Handelszug in den verschneiten Gebirgspässen nach Ibra beinahe verloren gegangen wäre.
    Die Pilger waren offenbar schon mehrere Tage in Begleitung der redseligen Caria unterwegs, und einige rollten viel sagend mit den Augen, als die Witwe nun unablässig weiterplapperte. Nur ein korpulenter junger Mann ließ sich nicht davon beeindrucken. Er trug die weißen Gewänder eines Geistlichen des Bastards und ritt schweigend nebenher, wobei er ein aufgeschlagenes Buch auf dem wohlgerundeten Bauch balancierte. Er ließ die Zügel seines schmutzig-weißen Maultiers durchhängen, und nur wenn er zum Ende einer Seite kam, blickte er beim Umblättern kurz auf, blinzelte kurzsichtig und lächelte zerstreut.
    Caria spähte zur Sonne empor, die inzwischen hoch am Himmel stand. »Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich in Valenda sind. Es gibt dort ein berühmtes Gasthaus, in dem es köstliche Spanferkel gibt.« Voll Vorfreude schmatzte sie mit den Lippen.
    »Ja, ein solches Gasthaus gibt es dort«, sagte Ista. In all den Jahren, die sie in Valenda gelebt hatte, war sie niemals dort eingekehrt, wurde ihr bewusst.
    Die Revisorin – bis dahin eine der gequältesten unter den unfreiwilligen Zuhörern der Witwe –, schürzte missbilligend die Lippen. »Ich werde kein Fleisch essen«, kündigte sie an. »Ich habe einen Eid geleistet, dass mir während dieser Reise weder Fleisch noch Fett über die Lippen kommen wird.«
    Caria beugte sich näher an Ista heran und flüsterte ihr zu: »Hätte sie einen Eid geleistet, statt ihrer Sala te ihren Hochmut herunterzuschlucken, hätte sie nach dem Zweck einer Pilgerfahrt eher entsprochen.« Sie richtete sich wieder auf und grinste. Die Revisorin rümpfte die Nase und gab vor, nichts gehört zu haben.
    »Ich bin sicher, mit sinnlosem Geschwätz können die Götter nichts anfangen«, bemerkte der Kaufmann mit den grauschwarzen Bändern des Vaters am Ärmel. Er blickte ins Leere, als würde er niemand Bestimmten ansprechen. »Wir sollten unserer Zeit mit Nützlicherem verbringen. Wir könnten über moralisch bedeutsame Themen reden und unseren Geist auf Gebete einstimmen, statt unseren Bauch aufs Mittagessen.«
    Caria grinste ihn anzüglich an. »Ach ja? Oder noch weiter unten befindliche Körperteile auf noch angenehmere Freuden? Und dabei tragt Ihr auch noch die Gunst des Vaters am Ärmel. Ihr solltet Euch schämen.«
    Der Kaufmann erstarrte. »Ich habe nicht vor, in dieser Angelegenheit um die Gnade des Gottes zu beten. Und das hab ich auch nicht nötig, das kann ich Euch versichern, meine Beste.«
    Der Geistliche des Bastards blickte von seiner Lektüre auf und sagte beschwichtigend: »Alle Teile unseres Leibes stehen unter dem Segen der Götter, vom Kopf bis zu den Zehen. Jeder findet seinen Gott, und auch jeder Körperteil.«
    »Euer Gott ist ja bekannt dafür, nicht wählerisch zu sein«, bemerkte der Kaufmann, immer noch gekränkt.
    »Wer einem Mitglied der Heiligen Familie Einlass in sein Herz gewährt, wird nicht abgewiesen. Nicht einmal, wenn er selbstgefällig ist.« Der Geistliche deutete über seinem Bauch hinweg eine kurze Verbeugung in Richtung des Kaufmannes an.
    Caria konnte ein fröhliches Auflachen nicht zurückhalten. Der Kaufmann schnaubte entrüstet,
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