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Packeis

Packeis

Titel: Packeis
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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sollten insgesamt mehr als zwei Millionen Zivilisten und militärisches Personal nach Westen transportiert werden.
    Der Mercedes fuhr durch die Stadt. Ein bitterkalter Wind wehte von der Ostsee landeinwärts und peitschte Schneeflocken zu Wolken eisiger, stechender Nesseln. Trotz der frostigen Verhältnisse waren die Straßen der Stadt so belebt wie an einem Sommertag. Flüchtlinge und Kriegsgefangene stapften durch die hohen Schneewehen auf der vergeblichen Suche nach Schutz.
    Versorgungsstationen waren umlagert von langen Schlangen hungriger Flüchtlinge, die auf ein Stück Brot oder einen Becher heiße Suppe warteten.
    Wagen, hoch beladen mit Fahrgästen und allen möglichen Gütern, verstopften die engen Straßen. Flüchtlinge strömten aus den Bahnhöfen und gesellten sich zu denen, die zu Fuß eingetroffen waren. Eingepackt in mehrere Schichten Kleidung, ähnelten sie seltsamen Schneewesen. Kinder wurden auf Behelfsschlitten gezogen.
    Der Wagen schaffte theoretisch eine Höchstgeschwindigkeit von 170 Stundenkilometern, blieb jedoch schon bald im zähflüssigen Verkehr stecken. Der Fahrer fluchte und hämmerte in einem fort auf den Hupknopf. Vom schwerfälligen Schleichtempo frustriert, brachte der Fahrer den Wagen vollends zum Stehen. Er stieg aus und öffnete die hintere Tür.
    »Kommen Sie, Professor«, sagte er zu seinem Fahrgast. »Zeit für einen Spaziergang.«
    Der Fahrer ließ den Mercedes mitten auf der Straße stehen, dann drängte er sich rücksichtslos durch die Menschenmenge.
    Er hielt den Arm des Professors mit eisernem Griff fest, brüllte Leute an, Platz zu machen, und stieß sie mit der Schulter beiseite, wenn sie nicht schnell genug reagierten.
    Schließlich gelangten sie zu den Kais, wo sich mehr als sechzigtausend Flüchtlinge versammelt hatten in der Hoffnung, an Bord eines der Schiffe zu gelangen, die an den Landungsbrücken lagen oder im Hafen ankerten.
    »Schauen Sie genau hin«, sagte der Fahrer und betrachtete das Gewimmel mit einem grimmigen Lächeln. »Die Religionsgelehrten haben sich alle geirrt. Man kann ganz deutlich erkennen, dass es in der Hölle
kalt
ist und nicht heiß.«
    Der Professor war überzeugt, dass er sich in der Gewalt eines Verrückten befand. Ehe Kovacs etwas erwidern konnte, zog der Fahrer ihn abermals weiter. Sie suchten sich ihren Weg durch eine mit Schnee bedeckte Siedlung aus Zelten, die vorwiegend aus zusammengehefteten Decken bestanden, und wichen unzähligen halb verhungerten Pferden und Hunden aus, die von ihren Besitzern im Stich gelassen worden waren. Pferdewagen drängten sich auf den Kais. Auf endlosen Reihen von Tragbahren lagen verwundete Soldaten, die mit Sanitätszügen aus dem Osten hergebracht worden waren. Bewaffnete Wachen standen an jeder Gangway und wiesen unbefugte Personen ab.
    Der Fahrer drängte sich vor eine Warteschlange. Der Posten, der einen Stahlhelm trug und den Kontrollpunkt besetzte, hob sein Gewehr, um den Durchgang zu versperren. Der Fahrer wedelte mit einem Blatt Papier, das mit prägnanten gotischen Lettern bedruckt war, vor der Nase des Postens herum. Der Wächter las das Dokument, nahm zackig Haltung an und deutete den Kai entlang.
    Der Professor rührte sich nicht. Er hatte beobachtet, wie jemand an Bord des Schiffs, das am Kai festgemacht war, ein Bündel zu den Wartenden auf dem Pier hinunterwarf. Der Wurf fiel zu kurz aus, und das Bündel landete im Wasser. Lautes Geschrei stieg von der Menschenmenge auf.
    »Was ist passiert?«, fragte der Professor.
    Der Wächter machte sich nicht mal die Mühe, in die Richtung der Unruhe zu blicken. »Flüchtlinge mit Kleinkindern können sofort an Bord gehen. Sie werfen das Kind zurück an Land und benutzen es immer wieder als Bordkarte. Manchmal werfen sie daneben, und das Kind fällt ins Wasser.«
    »Wie grässlich«, sagte der Professor schaudernd.
    Der Wachtposten zuckte die Achseln. »Sie sollten sich lieber beeilen. Sobald es aufhört zu schneien, schicken die Roten ihre Flugzeuge, um Bomben abzuwerfen oder im Tiefflug anzugreifen. Viel Glück.« Er hob sein Gewehr hoch, um den Nächsten in der Warteschlange zu stoppen.
    Das magische Dokument bewahrte Kovacs und den Fahrer vor einem Paar brutal aussehender SS-Offiziere, die Ausschau nach kräftigen Männern hielten, um sie zum Dienst an die Front zu schicken. Schließlich erreichten sie eine Rampe, die auf eine mit verwundeten Soldaten beladene Fähre führte. Erneut zeigte der Fahrer seine Dokumente einem Wachtposten, der sie
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