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Packeis

Packeis

Titel: Packeis
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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verwirrt um. »Wo sind wir?«
    »Auf dem Schiffsdeck. Hier entlang.«
    Auf dem eisigen, schräg geneigten Deck war es gespenstisch still, verglichen mit dem Horror in der dritten Klasse. Bei den wenigen Leuten, die sie sahen, handelte es sich um die privilegierten Passagiere, deren Kabinen sich auf dem Schiffsdeck befanden. Einige drängten sich um eine mit einem Motor ausgestattete Pinasse, ein stabiles Boot, mit dem gewöhnlich Ausflüge in die norwegischen Fjorde unternommen wurden. Angehörige der Schiffsbesatzung bearbeiteten mit Äxten und Hämmern die dicke Eisschicht auf den Davits.
    Als die Haken der Davits endlich freigelegt waren, schwangen die Besatzungsmitglieder sich an Bord und stießen dabei Frauen, von denen einige schwanger waren, beiseite. Kinder und verwundete Soldaten hatten keine Chance. Karl zog seine Pistole und feuerte einen Warnschuss in die Luft. Die Matrosen hielten inne, doch nur für eine Sekunde, ehe sie ihren Kampf um einen Platz im Rettungsboot fortsetzten. Karl feuerte einen weiteren Schuss ab und tötete den ersten Matrosen, der es geschafft hatte, ins Boot zu klettern. Die anderen rannten um ihr Leben.
    Karl hob eine Frau und ihr Baby ins Boot, dann reichte er dem Professor eine Hand, ehe er selbst das Boot bestieg. Er ließ einige Matrosen einsteigen, damit sie den Toten hinauswerfen und das Boot zu Wasser lassen konnten. Die Haken der Halteleinen wurden gelöst und der Motor gestartet.
    Das schwer beladene Boot schlingerte, während es langsam durch die See stampfte und auf die fernen Lichter eines Frachters zuhielt, der in ihre Richtung unterwegs war. Karl befahl, das Rettungsboot zu stoppen, um Menschen aufzunehmen, die im Wasser trieben. Schon bald war das Boot gefährlich überladen. Einer der Matrosen protestierte.
    »Im Boot ist kein Platz mehr!«, brüllte er.
    Karl schoss ihm zwischen die Augen. »Jetzt ist wieder Platz«, sagte er und befahl den anderen Matrosen, ihren toten Kameraden über Bord zu werfen. Zufrieden, dass er dieses kurze Aufbranden einer Meuterei unter Kontrolle gebracht hatte, drängte er sich neben Kovacs.
    »Geht es Ihnen gut, Professor?«
    »Den Umständen entsprechend.« Er starrte Karl verwundert an. »Sie sind ein erstaunlicher Mensch.«
    »Ich gebe mir Mühe. Man darf seinen Feinden niemals verraten, was sie von einem zu erwarten haben.«
    »Ich meine nicht dies. Ich habe gesehen, wie Sie den Frauen und den Verwundeten geholfen haben. Dieses Baby haben Sie im Arm gehalten, als wäre es Ihr eigenes gewesen.«
    »Die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen, mein Freund.« Er griff in seinen Mantel und holte ein Paket hervor, das in eine wasserdichte Gummihülle verpackt war.
    »Nehmen Sie diese Papiere an sich. Sie sind nicht mehr Lazio Kovacs, sondern ein Reichsdeutscher, der in Ungarn gelebt hat.
    Sie haben nur einen leichten Akzent und müssten damit jederzeit durchkommen. Ich will, dass Sie in der Menge verschwinden.
    Werden Sie einer von ihnen, ein Flüchtling. Sehen Sie zu, dass Sie sich irgendwie zu den englischen und den amerikanischen Linien durchschlagen.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ein Freund.«
    »Warum soll ich das glauben?«
    »Wie ich schon sagte, die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen. Ich gehöre zu einer Gruppe, die schon lange vor den Russen den Kampf gegen die Nazibestien aufgenommen hat.«
    Die Augen des Professors weiteten sich. »Der Kreisauer Kreis?« Er hatte gerüchteweise von dieser geheimen Widerstandsgruppe gehört.
    Karl legte einen Finger auf die Lippen. »Wir sind noch immer in Feindesland«, sagte er mit leiser Stimme.
    Kovacs umklammerte Karls Arm. »Können Sie auch meine Familie in Sicherheit bringen?«
    »Ich fürchte, dazu ist es zu spät. Ihre Familie gibt es nicht mehr.«
    »Aber die Briefe …«
    »Sie waren raffinierte Fälschungen, damit Sie nicht den Mut verlieren und Ihre Arbeit aufgeben.«
    Kovacs starrte mit einem Ausdruck hilfloser Verzweiflung in die Nacht.
    Karl packte den Professor bei den Revers seines Mantels und flüsterte ihm ins Ohr: »Sie müssen Ihre Arbeit zu Ihrem eigenen Nutzen und zum Wohle der Menschheit vergessen. Wir können nicht das Risiko eingehen, dass sie in falsche Hände fällt.«
    Der Professor nickte stumpf. Das Boot stieß gegen den Rumpf des Frachters. Eine Leiter wurde herabgelassen. Karl befahl den widerstrebenden Matrosen, das Boot zu wenden und weitere Überlebende aus dem Wasser zu fischen. Vom Deck des Frachters aus verfolgte Kovacs, wie das
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