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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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glatte Haare. Und das Kleid würde ihr sakrisch gut stehen, inzwischen hatte Susn die richtige Dirndlfigur mit den Kurven dort, wo sie hingehörten, ganz nach ihrer Mutter. Dazu ein Wiesenblumenstrauß. Den Therese auch schon bestellt hatte. Zusammen mit den Sträußen für die Brautjungfern und den Blumen, die auf der Kirchentreppe gestreut werden sollten.
    Der einzige Haken war, dass Susn von all dem nichts wusste. Ebenso wenig wie von dem Überraschungsgast, ihrem Erzeuger, der sie zum Altar führen sollte. Sie musste dringend mit ihrer Tochter über all das reden. Wenn Susn nur einen Moment Zeit hätte! Aber nein, immer redete sie sich heraus, hatte keine halbe Stunde für einen Kaffee und ein Stück Apfeldatschi! Warum? Ihr Job als Touristenführerin in Mohnau war so aufwendig nicht, da hatte Toni schon recht. Und Hochzeitsstress konnte es auch nicht sein, wo sie doch alles für das Madl organisierte! Sogar um die Kluft für den Bräutigam hatte sie sich gekümmert, eine moderne Lederhose mit weißem Hemd und grasgrüner Jacke. Vielleicht etwas zu gewagt, dieses Grasgrün? Aber es sah so schön frühlingshaft aus! Und es würde ausgezeichnet zu der Dekoration passen, die ihr vorschwebte. Und wenn sie schon einmal vordekorierte? Was für eine glänzende Idee! Eine kleine Hochzeitsfeier mit Schaufensterpuppen in bayerischem Frühlingsambiente, die nicht nur Susn ihre Dekoideen verdeutlichen, sondern auch Kundschaft anlocken würde. Mit einer Überschrift wie: Trauen Sie sich in Tracht. Sakra! Neuenthal als Hochzeitsparadies! Das musste in die Broschüre! Und in ihr Schaufenster!
    Sie erhob sich aus ihrem Sessel, befreite die Schaufensterpuppe vorsichtig von ihrem Pelzdirndl und hängte es sorgfältig auf einen Bügel. Jesses! Die Kirchenuhr schlug. Zweimal. Also sieben nach halb. Jeder im Dorf wusste, dass die Kirchenuhr nachging. Sie ließ die Puppe nackt im Fenster stehen – einen Abend lang würde Neuenthal inklusive Fredl Weidinger diesen unzüchtigen Anblick wohl verkraften – und verließ ihr Geschäft durch den Ausgang zur Straße. Wenn sie Bürgermeisterin wäre, würde sie als Erstes die vollkommen unnötige Ampel abschaffen, die Fredl Weidinger an der einzigen Kreuzung Neuenthals hatte aufstellen lassen. Weil es ein Mal vorgekommen war, in der Hauptsaison, dass ein Auto von der Uferstraße auf die Dorfstraße hatte abbiegen wollen, während sich ein zweites Auto von der Feuerwehrkneipe genähert hatte, und die Vorfahrtsverhältnisse erst nach einem heftigen Disput geklärt werden konnten. Ein Huhn war ebenfalls in den Vorfall verwickelt gewesen. Der nicht ganz glimpflich ausgegangen war. Für das Huhn. Aber längst noch kein Grund, eine Ampel aufzustellen. Und harmlosen Fußgängern fünf Euro abzuknöpfen, wenn sie bei Rot über die Straße gingen. So wie es Therese Engler, künftige Bürgermeisterin von Neuenthal, gerade auch tat. Kreizteifi! Jetzt war’s aber knapp! Von weitem sah sie den Bus heranschaukeln, und sie winkte, schritt schneller aus in ihren mörderisch brennenden Cowboystiefeln. Hätte sie Bequemlichkeit vor Eitelkeit stellen sollen? Wären die Haferlschuhe doch besser gewesen? Aber was sollte dieses »hätte, wäre«, wozu gab es überhaupt eine Möglichkeitsform in der Vergangenheit? Schmarrn! In die Zukunft musste man schauen!
    Leicht außer Atem bestieg sie den leeren Bus, dessen Fahrer sogleich die Schleife zur Uferstraße mit Schwung nahm. Kurz bevor er abbog auf die Landstraße, sah sie ihre Tochter Susn, am Waldrand, auf dem Uferweg, in Trainingsjacke und Turnschuhen, joggend. Himmi, war das Madl hübsch, sogar in diesem Aufzug! Morgen würde sie mit ihr reden. Über das Hochzeitskleid. Und über Matthias Glatthaler. Der Bus schaukelte in die Kurve, ließ Neuenthal samt Einkaufsmeile, Waldrand und Uferweg hinter sich, und ihr Herz änderte seinen Takt, pochte rascher gegen ihre Wildlederbrust, unruhig, nervös und, gegen alle Vernunft, hoffnungsvoll.

2.
    D er See glitzerte nur matt, als wüsste er, dass Nebensaison war, und das Transparent mit der werbenden Aufschrift Natur pur – Neuenthal!, für das meine Mutter sich so eingesetzt hatte, hing schlapp zwischen zwei Tannen. Unter denen wir locker hindurchjoggten, erst Gina, dann ich, und zuletzt Floh, der Hund meines Cousins Quirin.
    »Also, die Einladungsliste ist jetzt definitiv abgeschlossen, ja?«
    Meine Freundin Gina lief im Gegensatz zu mir täglich und hatte die Angewohnheit, während des Joggens zu plaudern, als
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