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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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säßen wir beim Kaffeekränzchen. Auch noch im Sprint, bei einem Lauftempo, bei dem ich bestenfalls Geräusche hervorbrachte, die Delphine de Brulée in ihrem Roman so treffend als das himmlische Hecheln oder das göttliche Geschnauf der Liebesrage beschrieben hatte. Wobei die Beteiligten in ihrem Buch eher weniger joggten.
    Ich war Gina aufrichtig dankbar dafür, dass sie mich sowohl zum Dauerlauf als auch auf Delphine de Brulées Bücher gebracht hatte. Längst sah ich ein, dass für die Traumfigur zum Hochzeitstag meine strenge Diät nicht ausreichte. Und ich war glücklich über jedes Buch, in dem es garantiert nicht um Essen ging. Was bei Delphine de Brulée der Fall war. Ein kurzes Experiment mit Erdbeerkonfitüre auf nackter Haut, das ich rasch überblättert hatte, einmal ausgenommen. Gina hatte die Bücher von Christiane Breitner, der Lebensabschnitts-Durcheinanderbringerin meines Onkels, die, aus welchen Gründen auch immer, eine ganze Kiste erotischer Literatur bei eBay ersteigert hatte.
    »Susn, ich hab dich was gefragt!«
    Gina trabte einen Moment auf der Stelle, bis ich herangekommen war.
    »Ja. Abgeschlossen. Die Einladungsliste«, brachte ich hervor, ohne allzu sehr zu hecheln, und Gina sportelte wieder los, schneller als vorher. Auch dafür, dass sie meine Hochzeitsberatung übernommen hatte, sollte ich ihr dankbar sein. Gina arbeitete als selbständige Eventmanagerin und konnte alles organisieren, vom Surf- und Sauffest mit Starkbieranstich am See bis zum Bundespresseball. Dessen Planungsteam allerdings noch nicht bei ihr angefragt hatte.
    »Und du willst – ich meine, es geht mich ja nichts an, aber du willst deinen Vater wirklich nicht einladen?«
    Ich schaffte es, Ginas Tempo zu halten und gleichzeitig den Kopf zu schütteln. Mein Gesicht musste inzwischen die Farbe einer reifen Strauchtomate haben.
    »Mir reicht schon Therese.« Jetzt hechelte ich doch. Nicht gerade himmlisch. »Du weißt ja, ihr fehlt jedes Peinlichkeitsgen. Und außerdem …« Verdammt, warum hatte noch niemand außer mir bemerkt, dass der Neuenthaler Uferweg bergauf ging? Vielleicht hatten wir auch Gegenwind. Gina verlangsamte ihren Schritt um ungefähr 0,001 Stundenkilometer, und ich schöpfte Atem. »Timos Eltern«, keuchte ich. »Sie sind nett, wirklich nett, aber so … katholisch. Wir haben ihnen erzählt, meine Eltern seien geschieden. Alles andere ist …« Gnädigerweise fiel Gina in einen gemäßigteren Trab, so dass ich meine Erklärung mit einem japsenden »… viel zu kompliziert« beenden konnte, und sie sah mich von der Seite an, die Augenbrauen hochgezogen. Wie immer sah sie umwerfend aus mit ihrem kastanienbraunen, hellgesträhnten Haar, ihrem eng anliegenden Laufshirt und den rosa Shorts. Mit Genugtuung entdeckte ich eine Schweißperle auf ihrer Stirn.
    »Meinst du wirklich? Na gut. Komm, wir gehen ein bisschen, dein Puls ist sicher schon über hundertdreißig.«
    Mein Puls befand sich auf gefühlten Zweihundertfünfzig und benahm sich eigentlich eher wie zwei Pulse, aber das sagte ich nicht, ich nahm das Gehangebot genauso dankbar an wie Floh, während ich kurz die verbrauchten Kalorien überschlug: mindestens zweihundert. So viel wie 50 Gramm Schokolade. Die ich nicht essen würde. Oder 37 Gramm Kartoffelchips. Die ich auch nicht essen würde. Oder 1450 Gramm Sellerie. Die ich erst recht nicht essen würde. Ich hasste Sellerie. Und Salat konnte ich auch nicht mehr sehen. Seit Wochen bestand meine Diät aus einer halben Grapefruit am Morgen, einem bunten Salat mit einem Klacks Magerjoghurt am Mittag und gedünstetem Gemüse mit einer Ahnung von geraspeltem Parmesan oder einem beinahe unsichtbaren Streifen Hähnchenbrust um sechzehn Uhr dreißig. Nach siebzehn Uhr ließ ich nichts mehr über meine Lippen. Meinen knurrenden Magen beschwichtigte ich mit Herumblättern in Weddingplanern und Brautkleidkatalogen.
    Das Objekt meiner Sehnsucht war das Modell Meerjungfrau, das, so stand es im Katalog, geheimnisvoll und erotisch jede Ihrer Kurven umschmeichelt. Wobei es sich bei den Models, die diese Kleider vorführten, eher um Kanten handelte. Und genau da lag das Problem. Machen Sie sich rechtzeitig klar, welcher Figurtyp Sie sind!, so stand es im Weddingplaner. Birne, Apfel, Röhre oder Stundenglas? A, V, H oder X? Lollipop, Eiswaffel, Backstein oder Wespe? Seien Sie gnadenlos ehrlich, nur so können Sie an Ihrem großen Tag das Beste aus Ihrem Typ machen! Kurz nach Timos Antrag hatte ich mir vor dem
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