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Othello

Othello

Titel: Othello
Autoren: Reclam
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enthält. Eine weitere Quartausgabe (Q2) liegt aus dem Jahr 1630 vor. Hier sind die jeweils fehlenden Elemente der vorhergehenden Ausgabe einbezogen worden. Die Tatsache, dass Othello zu einer Zeit, als das Theater nur noch eine geringe Bedeutung hatte, noch einmal als Einzeltext aufgelegt wurde, spricht für das ungebrochene Ansehen des Stückes.
    Mit der Wahl eines venezianischen Stoffes traf Shake­speare erneut den zeitgenössischen Publikumsgeschmack. Bereits 1596/97 hatte er im Merchant of Venice mit geographisch und soziologisch interessanten Dimensionen experimentiert, die auch in Othello wieder auftauchen. In beiden Stücken ist der wegen seiner Exotik faszinierende Handlungsort durch einen Außenstehenden mit einem besonderen Spannungsverhältnis versehen worden. Venedig, über dessen politische Verfassung Shakespeare sich vermutlich in Kardinal Contarinis Commonwealth and Government informierte, ist offenbar auf den Bankier ­Shylock und noch mehr auf den Berufssoldaten Othello ­angewiesen. Trotzdem ist die Republik keine offene Gesellschaft, weder für den Juden Shylock, der die Integration nicht sucht, noch für den ›Mohren‹ Othello, der sein militärisches Renommee mit Gleichberechtigung verwechselt.
    Venedig genoss im England des 16. und 17. Jahrhunderts ein wegen seiner freistaatlichen Verfassung, der in seinem Herrschaftsbereich garantierten religiösen Toleranz, wegen seiner ausgedehnten Handelsbeziehungen und nicht zuletzt wegen seines permanenten Abwehrkampfes gegen die Türken hohes Ansehen. Gleichzeitig war Venedig auch ein Teil jenes Italienbildes, das sich vom 16. zum 17. Jahrhundert zunehmend verdunkelte. Der in den Komödien vermittelte Eindruck von Schönheit, Lebensfreude und höherer Kultur wurde nach und nach von einem anderen Klischeebild verdrängt, welches sich zuweilen auch vorher schon manifestiert hatte. Dieses Italien war das Land des Macchiavellismus, der Intrige, der politischen und moralischen Korruption, des teuflisch erscheinenden Papsttums und der Destruktion aus Motiven, die sich einer einfachen Begründung entziehen.
    Shakespeares Quelle war eine 1566 in Venedig von Giovanni Battista Giraldo Cinthio unter dem Titel Hecatommithi veröffentlichte Sammlung von Geschichten, deren Weg nur bis Frankreich belegt ist. Gegen die Vermutung, dass Shakespeare eine englische Übersetzung zur Verfügung hatte, spricht die Tatsache, dass sein Text weniger wörtlich mit der Vorlage übereinstimmt, als dies etwa bei den Historien oder Römerdramen der Fall ist.
    Cinthios Geschichte wurde von Shakespeare erheblich verändert und auch erweitert. Die in der Vorlage angege­benen Motive und Handlungsstränge sind einfach und direkt; sie sollten jedoch auch dort nicht übergangen werden, wo Shakespeares Text offenkundig von ihnen abweicht. Dieser Hinweis gilt insbesondere für die Frage nach Iagos Motiven.
    In Cinthios Novelle ist der Fähnrich (Shakespeares Iago) in Disdemona (sic!) verliebt, kann sie aber aus Angst vor dem ›Mohren‹ (der bei Cinthio namenlos bleibt) nicht unmittelbar ansprechen. Disdemona nimmt keine Notiz von seinen vorsichtigen Annäherungsversuchen, woraufhin der Fähnrich vermutet, dass sie statt seiner Person den Hauptmann (Shakespeares Cassio) liebt. Der Fähnrich sinnt auf Rache. Der Hauptmann soll sterben, und, wenn ihm, dem Fähnrich, Disdemona verwehrt ist, soll auch der Mohr sie verlieren. Als der Hauptmann wegen eines Disziplinarverfahrens degradiert wird, setzt sich Disdemona ihrem Gatten gegenüber allzu nachdrücklich für ihn ein. Der Mohr erzählt dem Fähnrich von diesem Übereifer seiner Frau und bringt ihn damit auf den eigentlichen Rachegedanken. Mit Suggestivfragen weckt der Fähnrich den Argwohn des Mohren. Später unterstellt er Disdemona eine rassisch bedingte Abscheu vor ihrem Gatten, eine Verdächtigung, die den Mohren vollends aus dem Gleichgewicht geraten lässt. Zunächst ist jedoch der Fähnrich selbst in Gefahr. Der Mohr droht ihm ein böses Ende an für den Fall, dass die aufgestellten Behauptungen nicht zutreffen. Er verlangt einen sichtbaren Beweis für Disdemonas Untreue. Mit Hilfe seiner dreijährigen Tochter gelingt es dem Fähnrich, Disdemonas Taschentuch, ein wertvolles Geschenk des Mohren, zu entwenden und in den Besitz des Hauptmanns zu bringen. Als der Mohr das Taschentuch, nachdem er Disdemona vergeblich
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