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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition)
Autoren: Mala Wintar
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Tür wieder verschlossen hatte, schleifte er ihn durch den Raum und stieß ihn dem Ältesten zu Füßen. „Du“, presste Xaman heftig atmend zwischen seinen Zähnen hervor, „wirst dem Weisen haarklein erzählen, was du mir gestanden hast!“
    „Ich wusste nicht, dass …“, stammelte der Mann.
    „Sprich gefälligst lauter!“
    Der Neuankömmling gab sich alle Mühe, deutlich zu sprechen. Aber es gelang ihm nicht, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. „Eines Nachts, ich wollte gerade meine Werkstatt schließen, trat eine vermummte Gestalt herein; ein Mann. Er zeigte mir das Siegel des Königs und übergab mir ein verschnürtes Bündel. Ich öffnete die Schnürung, schlug den Stoff auseinander und fand einen Dolch aus Obsidian.“
    Yunuens Unterkiefer klappte herunter, die Hautlappen an seinem Hals zitterten. „Deine Stimme, ich erkenne sie! Du bist der königliche Handwerker! Sprich weiter!“
    „Er gab mir den Auftrag, die Waffe exakt nach seinen Vorgaben umzuarbeiten; Muster, Symbole, selbst kleinste Details beschrieb er mir. Und schnell müsse es gehen. Ich sagte ihm, so eine Arbeit brauche Zeit.“
    „Das könnte erklären, warum Ek Balam so lange fort war!“
    Yunuen machte eine unwirsche Handbewegung. „Weiter, was geschah dann?“
    „Der Fremde bezahlte im Voraus und erteilte mir Weisung, mit niemandem darüber zu sprechen und die Arbeit an einer bestimmten Stelle zu deponieren, sobald ich damit fertig sei. Ich solle sie hinter dem Altar des Yum Kaax verstecken.“
    „An der Stätte des Naturgottes! Das ist draußen bei den Feldern, am Rand des Dschungels!“, warf Xaman ein.
    „Das weiß ich selbst! Weiter!“
    „Ich tat, wie mir geheißen. Ein paar Tage später, bei der großen Kundgebung, sah ich meine Arbeit wieder; in den Händen des Halach Huinik!“
    Der Weise ballte die mageren Fäuste.
    „Wenn du lügst …!“
    Der Handwerker robbte auf allen Vieren bis unmittelbar vor den Ältesten hin, seine Stimme ein Flehen.
    „Bitte, es ist die Wahrheit! Wenn ihr mir nicht glaubt, tötet mich hier und jetzt!“
    „Warum sollte der Mann lügen?“ Xaman schenkte sich von dem Kakao nach und trank.
    „Ich weiß nicht. Hast du ihn dafür bezahlt?“
    „Nein!“, rief der Mann zu seinen Füßen. „Ich schwöre es! Als ich weit vorne in der Menge stand, die Waffe sah und unser König davon sprach, sie aus der Unterwelt mitgebracht zu haben, befiel mich große Furcht. Was, wenn der Fluch der Götter deswegen über uns kommt? Ich musste mich jemandem anvertrauen, der mit ihnen in Verbindung steht!“
    „Wie kannst du dir sicher sein, dass es sich um deine Arbeit handelt?“
    Gereizt tippte Xaman mit den Fingern auf die Tischplatte.
    „Bei allem Respekt, aber schließlich sind nicht alle mit Blindheit geschlagen!“
    Der Weise ignorierte die Bemerkung. Seine milchig schimmernden Augen zu Schlitzen verengt wandte er sich erneut dem Handwerker zu.
    „Hast du sonst noch etwas zu berichten?“
    „Nein, mehr weiß ich nicht! Vielleicht habe ich mich auch geirrt, ich bin kein kluger Mann! Aber wenn …“
    „Das genügt! Hinaus!“
    Erleichtert kam der Mann Xamans Forderung nach und machte sich aus dem Staub.
    „Das ist schwer zu glauben! Ich kannte den Vater des Höchsten stets als aufrichtigen Mann! Sollte der Sohn tatsächlich zu einem Betrug an den Göttern fähig sein?“
    „Eine Verzweiflungstat?“
    „Wenn er bewusst gehandelt hat, warum ließ er den Handwerker nicht beseitigen, BEVOR er den Dolch herumzeigte?“
    „Für mich ein Beweis mehr, dass Ek Balam nicht länger Herr seiner Sinne ist.“
    Yunuen zog die Brauen zusammen und rieb sich die Stirn. Unvermittelt hob er den Kopf.
    „Die Schatzkammer!“
    „Was ist damit?“
    „Stell dich nicht dümmer, als du bist! Ich muss die Bestände prüfen lassen!“
    Xamans Herz machte einen Satz, als Yunuen fortfuhr: „Sollte ein Dolch aus der Sammlung fehlen, müssen wir etwas unternehmen!“

 
     
    Kapitel 5
     
    Obwohl der Mond auf seiner Bahn schon weit über den Himmel gewandert war, drangen noch immer hämmernde Laute aus der Werkstatt. Seine Müdigkeit ignorierend arbeitete der Steinmetz des Nachts oft so lange, bis ihm die Hände den Dienst versagten. Hätte er doch nur stärkeres Licht gehabt, dann müsste er sich nicht so tief über das Werkstück beugen, um etwas erkennen zu können. Splitter um Splitter klopfte er das Antlitz des Quetzalcoatl in das Gestein. Hin und wieder legte er Hammer und Meißel beiseite, um die Finger
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