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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition)
Autoren: Mala Wintar
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sag es!“
    „Das reicht! So was muss ich mir nicht anhören!“ brüllte sie und lief davon. Doch schon am Durchgang zur vorherigen Kammer blieb sie stehen und ging wieder rückwärts.
    „Was zum Teufel ist das?“, fragte sie mit zitternder Stimme und ließ das Licht ihrer Taschenlampe nervös umherwandern. Auch die anderen nahmen es jetzt wahr. Zunächst hätte man es für das Sirren eines Insektenschwarms halten können. Doch das Geräusch schwoll rasch zu einem Chor wispernder Stimmen an, der ihnen aus der Dunkelheit des anderen Raumes entgegenschwirrte. Die Worte selbst konnten Oliver und die anderen nicht verstehen, aber ihr Klang drückte unmissverständlich eines aus: Zorn.
    Melanie suchte Schutz an Roberts Brust, was Oliver in diesem Moment ziemlich egal war. Sein Herz raste, während er auf die lebensgroßen Figuren der Wandgemälde neben dem Durchlass starrte. Flackernd bewegten sie sich im Schein der Lampen, hoben sich immer plastischer vom Untergrund ab und warfen nun selber Schatten, die sich von ihren Vorbildern lösten und langsam über Wände und Boden auf Oliver und die anderen zukamen. „Das gibts doch nicht! Seht ihr das auch?“
    Robert klappte die Kinnlade herunter, Melanie stieß sich von ihm weg und rannte. Die anderen hinterher. Aber der Durchgang, auf den sie zustürmten, führte nicht in eine weitere Kammer, sondern zu einer steil abfallenden Treppe. In blinder Angst achtete Melanie nicht auf den Boden, trat ins Leere und stürzte. Ihr spitzer Schrei hallte zusammen mit den Klatschgeräuschen, die ihr fallender Körper auf dem Stein verursachte, durch die Finsternis. Beinahe wäre Robert hinterhergestürzt, fing sich aber im letzten Moment.
    Was sollten sie tun? Ratlos sahen sie sich um. Melanies Lampe lag auf einer der oberen Stufen. Man hörte die junge Frau noch immer fallen.
    „Oh Gott, nein!“, rief Anna verzweifelt.
    Robert ergriff die Initiative und begann den Abstieg. Was für eine Alternative blieb ihnen sonst? Von wütenden Schemen gehetzt eilten Oliver und Anna ihm panisch hinterher.
    Der Treppenschacht war etwa zweieinhalb Meter breit. Dunkles Wurzelwerk wuchs durch die Decke und streifte im Gehen über ihre Köpfe. Die Verfolger holten auf, die Laute kamen näher. Die Vorstellung, jeden Moment von diesen gespenstischen Wesen eingeholt zu werden, beflügelte die Schritte der Fliehenden, auch wenn ein Fehltritt bedeuten konnte, sich das Genick zu brechen. Hier ging es nicht nur steil in die Tiefe. Überall lagen Steine und Erde herum. Die Stufen waren zum Teil in der Mitte durchgebrochen. Kein normaler Mensch würde sich freiwillig hier runterwagen.
    Kalter Schweiß bedeckte Olivers Gesicht, seine Lungen brannten. In der vagen Hoffnung auf ein Lebenszeichen rief er wiederholt nach Melanie. Aber da war nichts.
    Unerwartet wich der Modergeruch dem von Räucherwerk. Oliver machte seine überreizten Nerven für den seltsamen Wandel seiner Sinneswahrnehmung verantwortlich. Plötzlich klaffte zu ihrer Linken ein großes Loch in der Wand. Bang blickten sie auf die lauernde Schwärze und stiegen so rasch wie möglich über den Schutt hinweg, der an dieser Stelle die halbe Treppe versperrte. Die Umgebung kühlte ab. Aus der Dunkelheit vor ihnen war ein leises Rauschen zu vernehmen.
    Nur ein paar Schritte weiter endete die Treppe abrupt an einem schräg in den Untergrund gesackten Steinblock. Von hier aus gab es kein Weiterkommen, nur einen von Felsbrocken umgebenen Uferflecken, der in den unterirdischen Flusslauf mündete. Dort, auf einem Bett aus glattgeschliffenen Kieseln, fanden sie Melanie. Selbst das Wenige, was sie in dem spärlichen Licht ihrer Taschenlampen von dem geschundenen Körper erkennen konnten, verschlug ihnen die Sprache. Anna stieß einen gellenden Schrei aus. Robert wollte sie in den Arm nehmen, doch sie stemmte sich von ihm weg und ging schluchzend in die Hocke.
    Obwohl Melanie auf dem Bauch lag, konnte Oliver ihre weit aufgerissenen Augen sehen. Ihr Hals war auf absurdeste Weise verdreht, der Kopf hing zur Hälfte im Wasser. Der Strahl von Olivers Lampe wanderte weiter über ihren Körper hinweg. Er konnte seine Hände nicht mehr ruhig halten. Als der zappelnde Lichtkegel schließlich den offenen Bruch an ihrem linken Arm erreichte, aus dessen Fleisch ein scharfkantiges Stück Knochen ragte, wandte er sich ab. Das war zu viel. Scheiße! Scheiße, Scheiße, Scheiße!!!!! Oliver konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Die Stimmen waren jetzt ganz nah. Anna
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