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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition)
Autoren: Mala Wintar
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Ricardo würde das nichts mehr nützen. Hätten das Kind und seine Mutter nicht so ein Geschrei gemacht, wäre sie nicht mit dem Jungen im Arm zur Haustür gerannt ….
    Mit einem Seufzer setzte er die Opferschale in Brand und streute Kräuter und Harze hinein, die er im Wald gesammelt hatte. Eigentlich stammte das getöpferte Gefäß aus Miguels Küche. Aber momentan konnte er nicht sonderlich wählerisch sein. Gierig sog er den aufsteigenden Rauch ein und flüsterte die heiligen Formeln. Es tat gut, endlich wieder die Götter anzurufen. Aber was, wenn sie keine Antwort gaben? Wenn sie überhaupt nicht mehr existierten?
    Dann vernahm er die Stimmen.

 
     
    Kapitel 26
     
    Tief gebückt folgte Oliver seinen Freunden durch den Tunnel. Ständig schrammte er mit den Schultern an den grob behauenen Wänden entlang oder stieß sich den Kopf. Zu seiner Erleichterung dauerte es nicht lange, bis der Durchgang sich ausweitete und schließlich in eine größere Kammer führte.
    „Wahnsinn! Seht euch das an!“, sagte Anna und richtete ihre Lampe auf Reste eines Wandgemäldes. Was genau die Abbildungen darstellen sollten, war auf den ersten Blick nicht erkennbar. Aber die Intensität der Farben war noch immer beeindruckend. Rot beherrschte den größten Teil der erhaltenen Flächen.
    Melanie sah sich mit großen Augen um. „Was glaubt ihr, was das ist? Ob hier mal jemand gewohnt hat?“
    „Ich tippe eher darauf, dass wir uns mitten in einem riesigen Grab befinden!“, spekulierte Robert und breitete von hinten die Arme über Annas Kopf aus, woraufhin die ihn einfach stehenließ und zum angrenzenden Raum ging.
    „Was ist eigentlich mit Anna los? Kommt das nur mir so vor, oder ist sie heute ein wenig gereizt?“, flüsterte Oliver.
    „Keine Ahnung! Das geht auch wieder vorbei!“ Unbekümmert ging Robert ihr nach.
    Sie durchquerten zwei weitere Räume, die mehr oder weniger dem ersten glichen. Weiter geradeaus stießen sie auf Treppenstufen, die in das darunterliegende Stockwerk führten. Vorsichtig stiegen sie hinab. Überall lagen Gesteinsbrocken herum. Von der Kammer, die sie jetzt betraten, führten drei Durchgänge in angrenzende Bereiche. Die Bauweise hier war ein ganzes Stück niedriger, als auf der höhergelegenen Ebene. Im vorderen Bereich ragte ein größerer Steinblock bedenklich von oben in den Raum hinein. Beim Anblick der rissigen Decke wurde Oliver mulmig zumute. Auch Melanie wirkte nicht begeistert. „Wir sollten umkehren. Ich habe keine Lust, lebendig begraben zu werden.“
    „Du hast Angst?“, zog Robert sie auf. „Das Zeug steht bestimmt schon seit über tausend Jahren! Warum sollte es ausgerechnet jetzt einstürzen? Aber ich bin sicher, dein Freund bringt dich zurück an die frische Luft, wenn du ihn lieb darum bittest.“
    Melanie bedachte Oliver mit einem abschätzigen Blick und wandte sich ab.
    Was habe ICH denn jetzt gemacht? Sind heute alle verrückt geworden? Oliver schüttelte resigniert den Kopf.
    Von einigen Bruchschäden abgesehen hatten die Bemalungen hier die Zeit weit besser überstanden. An manchen Stellen konnte man sogar etwas erkennen. Eine der abgebildeten Figuren saß eindeutig auf einem Jaguarthron; ein weißer Überwurf bedeckte die Schultern, ein riesiger Kopfputz mit grünen Federn schmückte das Haupt. Ihr zugewandt knieten andere, ähnlich gewandete Wesen. Keines der Gesichter besaß menschliche Züge, als trügen sie bizarre Masken. Was Oliver sah, faszinierte und verstörte ihn gleichermaßen. Das Bewusstsein, sich weit unter der Erde zu befinden, verstärkte diesen Eindruck. Abgeschnitten von den Lebenden, dachte er und ging weiter.
    Überall auf dem Untergrund lagen zerbrochene Tongefäße und Muschelschalen. Keine Spur von Schätzen aus Jade oder Gold! Ständig knirschte es unter seinen Stiefeln, obwohl er auf jeden seiner Schritte achtete, um in der Dunkelheit nichts kaputtzumachen. Mitten im Raum blieb er abrupt stehen und stieß einen Schrei aus. Mit den Armen rudernd gewann er sein Gleichgewicht zurück und taumelte nach hinten. Für einen Moment glaubte er, sein Herz sei stehengeblieben. Die Spitze seines rechten Fußes ragte schon über den Rand des Bodens hinaus; direkt über einem viereckigen Schacht, der senkrecht in die Tiefe führte. Er konnte noch immer hören, wie der Schutt, den er mit dem Stiefel hinuntergestoßen hatte, im Fallen gegen die Wände des Stollens prallte. Sofort rief er den anderen eine Warnung zu.
    Anna eilte zu ihm. „Alles okay? Hast du
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