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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman
Autoren: Arne Dahl
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bevor er umkehrte.

    Aber jetzt, in diesem Moment, war es sehr schwer, überhaupt etwas genau wahrzunehmen. Und irgendetwas zu verstehen.

    Es war eigentlich nur ein Beben, anfangs völlig lautlos. Und obwohl keine größere Kraft in dem Beben lag, begriff er unmittelbar, dass etwas passiert war. Etwas sehr Außergewöhnliches. Das Beben glitt ihm gleichsam unter die Füße, ungefähr wie diese afrikanischen Würmer, die unter die äußere Haut des Menschen kriechen und ihr parasitäres Leben zwischen unseren Hautschichten entfalten. Genau so empfand er dieses Beben: Wie einen Wurm, der sich direkt unter die Oberfläche des Asphalts schob.

    Und schon in diesem Moment verstand er - nein, wusste er, dass auf dieses leichte, leise Beben ganz andere Phänomene folgen würden.

    Dass es Folgen haben würde.

    Nachbeben.

    Dann kam das Geräusch, schneidend, schreiend. Eine Kakophonie, die gleichsam aus dem Loch geschleudert wurde, wo sich die Rolltreppe nach oben wälzte. Obwohl ihm dazu später viel zu viel Gelegenheit gegeben wurde, sollte es ihm nie gelingen, das zu beschreiben. Nicht konkret. Nicht mit richtigen, eigenen Worten. Nur mit Bildern, Vergleichen, Analogien. Es war eine Art prähistorischer Laut des Zusammenbruchs.

    Ein Gebrüll aus den Eingeweiden.

    Danach kam der Rauch. Er wurde aus dem U-Bahn-Eingang gestoßen wie aus einem frischen Vulkankrater.

    Und war beinahe so heiß.

    In diesem Augenblick kehrte er um.

    Auf der anderen Straßenseite zersplitterte das Leuchtschild der U-Bahn und fiel wie ein Sternenregen zu Boden.

     

    AUS DER ONLINEAUSGABE DER ABENDZEITUNG,

    Freitag, den 5. August, 1.18 Uhr

    Nun ist der Terrorismus also auch nach Schweden gekommen. Was wir alle befürchtet, worauf wir alle gewartet haben, ist eingetreten.

    Heute Nacht, um 0.59 Uhr, ereignete sich in einem U-Bahn-Wagen der blauen Linie zwischen Stadshagen und Fridhemsplan eine starke Explosion. Der Zug befand sich im Moment der Explosion kurz vor der Einfahrt in die U-Bahn-Station Fridhemsplan. Die Explosion löste im U-Bahn-Netz ein Chaos aus. Im Augenblick scheint der gesamte U-Bahn-Verkehr zum Erliegen gekommen zu sein. Wir werden Sie auf dieser Seite regelmäßig informieren. Und wir hoffen, Ihnen so bald wie möglich aktuelle Augenzeugenberichte liefern zu können. In diesen dramatischen Stunden in der Geschichte unseres Landes wird unsere Onlineausgabe ständig aktualisiert.

    Polizeiberichten zufolge hat es bei der Explosion Todesopfer gegeben, aber noch gibt es keine genaueren Angaben über die Zahl der Toten und Verletzten, doch es können Hunderte sein. Auf den Bahnsteigen und in den Tunneln der U-Bahn spielen sich kaum vorstellbare Szenen ab. Als das Inferno ausbrach, kam es zu allgemeiner Panik.

    Sollten Sie von Personen wissen, die vorhatten, mit der blauen Linie der U-Bahn zwischen Stadshagen und Fridhemsplan zu fahren, benachrichtigen Sie bitte die Polizei, falls Sie die Personen nicht erreichen können. Die Nummer des Krisentelefons für Betroffene finden Sie am Ende dieses Artikels.

    Da seit der Tat nicht mehr als zwanzig Minuten vergangen sind, sind alle hier gemachten Angaben unbestätigt, aber die Redaktion arbeitet unter Hochdruck daran, weitere Informationen zu beschaffen. Augenzeugenberichte und Fotos von betroffenen Passagieren oder Angehörigen nehmen wir zu den üblichen Honorarsätzen gerne entgegen.

    Den bisher vorliegenden Meldungen zufolge werden gegenwärtig Verletzte in die verschiedenen Stockholmer Krankenhäuser transportiert, doch auch dort ist die Lage völlig unübersichtlich.

    Noch liegt keine offizielle Stellungnahme zu der Tat vor, und auch das Gerücht, dass im gesamten Land der Ausnahmezustand erklärt werden soll, ist bislang unbestätigt. Die Polizei rät den Stockholmern jedoch, heute Nacht ihre Wohnungen nicht zu verlassen.

    Im Folgenden finden Sie Links zu unseren früheren Artikeln über den internationalen Terrorismus und die Bedrohungslage für Schweden.

    Diese Seite wird im Laufe der Nacht regelmäßig aktualisiert.

    Es gibt keinen Anlass zur Panik.

     

    *

     

    AUS DER ONLINE AUSGABE DER MORGENZEITUNG

    Freitag, den 5. August, 5.04 Uhr

    Vier Stunden sind vergangen seit dem größten Terroranschlag in der Geschichte Schwedens - auch wenn erste Angaben in den Medien dazu tendierten, seine Dimension zu übertreiben. Mittlerweile - nach der chaotischen Berichterstattung der letzten Stunden - ist es möglich, die Lage zu überschauen.

    Heute Nacht um (genau) 0.45
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