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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod
Autoren: Hanna Winter
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»Neiiiiinn! Tilla!«, schrie er verzweifelt. Taschenlampen flammten auf und fokussierten sein Gesicht. Plötzlich entflammten Chemikalien, die hinter einem Vorhang zum Nebenraum lagerten. Das Feuer sprang binnen Sekunden auf die umliegenden Becken über und erreichte den OP -Saal. Heftig keuchend lag Lena noch immer bewegungsunfähig auf dem Tisch. Der Rauch war jetzt so stark, dass er ihr zunehmend die Sicht nahm. Hektische Befehle wurden geschrien. Schüsse hallten durch den Raum, als sie schließlich nur noch halb verschwommen sah, wie Artifex mit durchlöcherter Brust neben ihr zu Boden ging. Lena war unfähig, sich zu rühren – so wie damals im brennenden Autowrack ihrer Eltern. Und während die Sanitäter und Feuerwehrmänner in ihren Gasmasken herannahten, spielte sich vor ihrem geistigen Auge jenes immer wiederkehrende Szenario von damals ab. Doch ihr Schutzengel hatte sie noch immer nicht verlassen. Wie damals erreichten sie die rettenden Hände der Einsatzkräfte gerade noch rechtzeitig, bevor sie das Bewusstsein verlor.

75
Vier Tage später
    Lena betrat mit einem Strauß Blumen und einer Schachtel Pralinen den Krankenhauskorridor und steuerte auf das Zimmer von Wulf Belling zu. Während Lena mit einem gewaltigen Schock und einer kleinen Schnittwunde unter dem rechten Auge davongekommen war, konnte Belling von Glück reden, noch am Leben zu sein. Eine Joggerin hatte ihn gerade noch rechtzeitig in einem Waldstück gefunden. Wäre er nur wenige Stunden später gefunden worden, wäre er nach Angaben der Ärzte seinen Verletzungen erlegen. Lena öffnete die Tür zu Bellings Zimmer, darauf gefasst, ihn nach allem, was ihm angetan worden war, kaum wiederzuerkennen.
    Doch als sie in den Raum hineinspähte, war sein Bett bereits leer. Lena bewegte keinen Muskel und starrte sekundenlang auf das leere Bett. Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie war zu spät gekommen. Hatte sich nicht einmal mehr von ihm verabschieden können. Sie ließ die Pralinen und die Blumen fallen, schlug die Hände vor den Mund und begann bitterlich zu weinen.
    »Na, na – wer wird denn da gleich weinen?«, hörte sie plötzlich eine kraftlos klingende Stimme hinter sich.
    Lena nahm die Hände herunter und hob den Kopf. Als sie sich umdrehte, sah sie in die Augen von Wulf Belling, der jetzt auf Krücken mit einem Kopfverband, einem Gipsbein und bandagiertem Arm vor ihr stand. Sein Gesicht sah aus, als hätte er einen Boxkampf hinter sich. Einen, den er haushoch verloren hatte.
    »Belling.«
    Er lächelte. »Sie enttäuschen mich, Peters – dachten Sie wirklich, ich lasse mich so leicht unterkriegen?«
    Sie war überglücklich, ihn zu sehen, und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen. Doch dieses Mal waren es Tränen der Freude.
    »Sagen Sie bloß, Sie haben sich Sorgen um mich gemacht?«, brummte er.
    »Ich? Niemals!«, gab Lena scherzhaft zurück und strahlte ihn an. Dann hob sie die Blumen und die Pralinen vom Boden auf.
    »Sind die für mich?«
    Sie nickte. »Wie geht es Ihnen denn?«
    Belling lachte auf. »Wie Sie sehen, blendend. Und Ihnen?«
    Lenas Lippen verzogen sich zu einem erneuten Lächeln, während sie mit erhobenem Zeigefinger auf ihre Augen deutete. »Wie Sie sehen, sind meine Augen noch an ihrem Platz.«
    Belling lachte keuchend auf. »Hören Sie schon auf, es tut höllisch weh, wenn Sie mich zum Lachen bringen … Kommen Sie, ich wurde in das Zimmer nebenan verlegt.« Noch etwas wackelig auf den Beinen, humpelte er auf seinen Krücken voran.
    Lena folgte ihm und hielt ihm die Tür auf. Kaum hatten Sie die Tür zu seinem Zimmer geschlossen, erzählte Belling ihr, was ihm in der Galerie widerfahren war. »Davon, dass diese Kerle mich anschließend in ihren Wagen verfrachtet und irgendwo am Stadtrand rausgeschmissen haben, habe ich weiß Gott nichts mitbekommen. Schließlich befand ich mich bereits im Delirium«, sagte er, als er wieder im Bett lag. »Es war reiner Zufall, dass dort eine Joggerin vorbeigekommen ist und mich gefunden hat.«
    Noch immer bestürzt, schüttelte Lena, die auf einem Stuhl neben seinem Bett Platz genommen hatte, den Kopf. »Und als Sie im Krankenhaus wieder zu sich gekommen sind und der Polizei von den Russen und den Plastinaten berichtet haben, hat Volker Drescher den Keller der Galerie sofort stürmen lassen«, vervollständigte sie und schüttelte erneut den Kopf. »Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn er
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