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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod
Autoren: Hanna Winter
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alles?«, fragte Lena.
    »Weil dieser Gemmy noch in derselben Nacht nach der geplatzten Übergabe mit dem Lösegeld im Kofferraum in einem geklauten Wagen geschnappt worden ist. Meine Leute haben ihn so lange ins Kreuzverhör genommen, bis er schließlich gesungen hat.«
    »Aber die erstickten Schreie am Telefon …«, warf Lena ein.
    »Eine DVD , die er im Hintergrund hat laufen lassen«, berichtete Drescher und lachte kopfschüttelnd. »Gemmy wusste weder von der Existenz Ihrer Zwillingsschwester noch von dem Baby.«
    »Aber eine Sache will mir nicht in den Kopf«, hakte Belling ein. »Wie kam dieser Rotzbengel an meine Telefonnummer?«
    Drescher schob seine Brille mit dem Zeigefinger hoch. »Da er zunächst nur Frau Peters’ Nummer von dem Foto im Keller hatte, die aber, nachdem ihr das Handy gestohlen worden war, nutzlos war, hat er angefangen, ihr nachzuspionieren. Im Zuge dessen ist er dann auf Sie gestoßen. Und Ihre Nummer hatte er schlichtweg aus dem Telefonbuch. Dieser Gemmy hatte alles bis ins Detail geplant. Er hat sich sogar einen Vocoder besorgt, wie Artifex ihn für seine Anrufe benutzt hat.«
    »Ich hatte von Anfang an so ein Gefühl, dass sich hinter dem Anrufer jemand anders verbirgt«, pflichtete Lena bei.
    »So? Und was hat Sie darauf gebracht?«, wollte Belling wissen.
    Lena sah ihn an. »Davon abgesehen, dass eine Lösegeldforderung überhaupt nicht in das Profil unseres Serienmörders gepasst hätte, ist mir im Nachhinein noch eingefallen, dass Artifex mich bei seinem Anruf geduzt hat, Sie am Telefon aber gesiezt wurden.«
    Belling nickte ihr anerkennend zu. »Nicht übel, Partner.« Drescher räusperte sich geräuschvoll. »Also bis dann«, verabschiedete er sich knapp und verließ den Raum.
    Volker Drescher war noch keine Minute verschwunden, da klopfte es erneut an der Tür.
    »Marietta – na, dich hätte ich nach meinem peinlichen Auftritt neulich am allerwenigsten erwartet«, entfuhr es Belling, als seine Tochter zur Tür hereinkam.
    »Mensch, Papa, das tut mir alles so leid«, gab sie sich reumütig und setzte sich zu ihrem Vater ans Bett.
    Belling stellte Marietta und Lena einander vor. Doch Lena hatte das Gefühl, dass Vater und Tochter sich viel zu sagen hatten, und rückte ein wenig mit dem Stuhl zur Seite.
    »Neulich Nacht, als du vor dem Club zugeparkt worden bist, warst du übrigens nicht der Einzige, der Probleme hatte, nach Hause zu kommen …«, erzählte Marietta.
    »Wie meinst du das?«, fragte Belling nach.
    »Na ja, wie soll ich sagen … Ich hatte mein Portemonnaie in der Disko verloren. Muss mir beim Tanzen irgendwie aus der Tasche gefallen sein. Da hatte ich kein Geld mehr fürs Taxi.«
    »Haben dich diese Typen, mit denen du da warst, denn nicht nach Hause gefahren?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Belling betrachtete sie eine Sekunde lang besorgt.
    »Und wieso nicht?«
    »Ach, wir haben uns gestritten. Und irgendwann waren die einfach verschwunden.« Sie griff nach seiner Hand. »Papa, es tut mir so leid, was ich dir so an den Kopf geworfen habe – ich hab’s nicht so gemeint.«
    Seine angespannte Miene wich sofort einem milden Lächeln. »Na, komm schon her. Ist doch längst vergessen.«
    Mit Tränen in den Augen legte Marietta ihren Kopf auf seine Brust. Lena sah die beiden an. Obwohl es ihm angesichts der zahlreichen Knochenbrüche wahrscheinlich nie schlechter ergangen sein dürfte, hatte sie Wulf Belling noch sie so glücklich gesehen wie in diesem Moment. Lena bekam das Gefühl, dass sie hier überflüssig war, und sie erhob sich und ging langsam Richtung Tür. »Ich denke, ich gehe dann mal besser.« Sie räusperte sich und ließ die beiden allein.

76
Am nächsten Morgen
    Noch immer außer Atem, kam Lena vom Joggen nach Hause und ging zum Briefkasten. Werbung, Briefe und zwei schmale Päckchen. Zurück in ihrer Wohnung, streifte sie im Flur ihre Turnschuhe ab und ging in die Küche. Lena legte die Post auf dem Tisch ab und setzte Kaffee auf. Sie trank ein großes Glas Leitungswasser, und noch während die Kaffeemaschine leise vor sich hin fauchte, machte sie sich daran, die Post durchzusehen. Neugierig öffnete sie das größere der beiden Päckchen. Darin befand sich ein Schachcomputer der neuesten Generation mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen und allem Pipapo. Lena war begeistert und freute sich wie ein kleines Kind. Auf dem beiliegenden Kärtchen las sie:
    »Damit Sie nicht immer nur gegen sich selbst spielen müssen.
    Mit besten Grüßen,
    Volker
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