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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod
Autoren: Hanna Winter
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Ihnen auf?«, fragte Drescher in die Runde.
    Nicht nur Lena war anzusehen, dass sie sich diesen Anblick am frühen Morgen lieber erspart hätte.
    »Saubere Arbeit«, bemerkte Rebecca Brandt. »Die gleiche Präzision wie bei den anderen Opfern – der Kerl versteht sein Handwerk.«
    »Wenn ihr mich fragt, haben wir es mit einem Trophäen-Sammler zu tun«, mutmaßte Lenas Sitznachbar und zupfte sich einen Brötchenkrümel vom Poloshirt, »wahrscheinlich sammelt er die abgetrennten Gliedmaßen in irgend ’ner Scheißtiefkühltruhe – einer, die ich nicht finden möchte …«
    »Das glaube ich nicht«, wandte Lena ein. Aller Augen waren jetzt auf sie gerichtet. »Trophäen zu sammeln ist ein Hobby. Hobbys setzen einen Spieltrieb voraus.« Sie drehte ihren Kugelschreiber zwischen den Fingern. »Aber was dieser Psychopath da treibt, macht er nicht aus purem Spaß an der Freude – er kann nicht anders, ist regelrecht besessen davon.«
    »So präzise, wie der die Gliedmaßen abtrennt, könnte es sich auch um einen Chirurgen handeln«, warf Rebecca Brandt ein. »Einen, der beispielsweise seine Zulassung verloren hat, nicht mehr auf die Beine gekommen ist, aber mit der Materie bestens vertraut ist und jetzt einen Riesenreibach mit illegaler Transplantation macht …«
    »Dann würde er professioneller handeln«, setzte Lena dagegen. »Er würde die Leichen einfach verschwinden lassen. Aber diese Leichen hier sollten gefunden werden, sonst hätte er sie wohl kaum an Orten abgelegt, an denen sie so leicht aufzufinden waren.«
    »Da gebe ich Frau Peters recht«, äußerte sich Drescher.
    Die Brünette lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen. Lena sah einen Funken Verärgerung in ihren Augen aufblitzen.
    Dreschers Handy begann zu klingeln. Nach einem Blick auf die Nummer nahm Drescher den Anruf an. »Volker Drescher hier, was gibt’s?« Er lauschte dem Anrufer, und Lena entnahm seiner Miene, dass es keine guten Nachrichten gab.
    »Verstehe … Ja, ist gut, danke.« Zwölf Augenpaare schauten ihn gebannt an, als Drescher auflegte. »Ein Spaziergänger hat in der Spree einen abgetrennten Fuß entdeckt, ganz in der Nähe von dem Schrottplatz, auf dem Nowaks Leichnam gefunden wurde. Die Wasserschutzpolizei ist dabei, das Ufer weiträumig abzusperren, und Polizeitaucher suchen noch nach dem zweiten Fuß.« Er schielte in Lenas Richtung. »Die Füße haben Schuhgröße neununddreißig, genau wie die von Yvonne Nowak. Ob es sich nun tatsächlich um ihre Füße handelt, wird der Laborbericht zeigen.« Er wandte sich erneut der Fotowand zu. In diesem Augenblick platzte die mollige Lucy ein weiteres Mal herein.
    »Eine junge Frau wurde in der U-Bahn-Station Ernst-Reuter-Platz aufgefunden«, brachte sie unter kurzen Atemstößen hervor und starrte entsetzt auf das Fax, das sie in der Hand hielt. »Ihr Name ist Christine Wagenbach. Dreiundzwanzig. Kindergärtnerin«, las sie vor. »Stammt aus Schöneberg und ist wohl schon seit zwei Tagen nicht mehr zum Dienst erschienen.« Lucy zögerte eine Sekunde, ehe sie sagte: »Ihr ist die rechte Hand abgetrennt worden.«
    Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, brach eine plötzliche Unruhe aus. Drescher schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Scheiße!«

4
    Drescher nahm seine Brille ab, rieb sich die Augen und setzte sie wieder auf. Der Konferenzraum erschien Lena mit einem Mal noch stickiger als zuvor. Sie beobachtete, wie Dreschers Augen durch die Runde schnellten und bei der Brünetten hängenblieben. »Brandt, Sie machen sich auf den Weg ins Leichenschauhaus.«
    Rebecca Brandt nickte. »Geht klar.«
    »Nein, nein – sie ist noch am Leben«, unterbrach Lucy. Für einen Augenblick herrschte Totenstille im Konferenzraum, als sei ein jeder mitten in der Bewegung erstarrt.
    »Mein Gott!«, rief Drescher geschockt aus. Plötzlich sah Lena, wie sich seine Miene erhellte.
    »Wenn diese Frau das Schwein identifizieren könnte …«
    »Sie haben sie ins Franziskus-Krankenhaus gebracht, Budapester Straße«, erklärte Lucy.
    Drescher blickte die Mollige an. »Ist sie bei Bewusstsein?«
    »Soweit ich weiß, schon.«
    Volker Drescher wurde sichtbar nervös. »Peters, Sie begleiten Frau Brandt.«
    Lena schaute ungläubig auf. »Mit Verlaub, das Opfer wurde gerade erst gefunden, eine Befragung zum jetzigen Zeitpunkt wäre doch reichlich ehrgeizig und kann sich bei Trauma-Patienten negativ auf die anschließende Rehabilitation auswirken.«
    Drescher blickte in
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