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Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)

Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)

Titel: Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Autoren: Michael Kibler
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wird mir einen langen Vortrag über die Work-Life-Balance halten. Und dennoch werde ich mir die Leiche gleich zur Brust nehmen. Und schwuppdiwupp haben Sie morgen schon die ersten Ergebnisse.«
    Hinrich drehte den Toten über den Bauch auf die linke Seite. Alle drei Augenpaare richteten sich auf die rechte Gesäßhälfte. Dort war ein Tattoo zu erkennen, etwa von der Größe eines Zwei-Euro-Stückes. Es zeigte ein japanisches oder chinesisches Schriftzeichen.
    Margot sah zu Horndeich: »Die Frau von Emil Sacher hat nichts von einer Tätowierung gesagt.« Sie nahm ihre kleine Digitalkamera und lichtete das Tattoo ab.
    »Ja. Keine Narben, keine Tattoos, keine Piercings, da war sie sich sicher gewesen.«
    »Also doch nicht Emil Sacher? Wer denn dann?«
    Die drei traten aus dem Zelt. In diesem Moment fuhr ein Leichenwagen von der Einfahrt unweit des Eingangs in Richtung Liegewiese heran. Als ob die Situation nicht eh schon grotesk genug gewirkt hätte, schien der Wagen der Bestatter deutlich älter zu sein als das Opfer. Ein Mercedes Kombi – die Flossenvariante 220B, der gleiche Wagen, den auch Horndeich fuhr. Nur war seiner rot und nicht schwarz. Und seiner hatte keine Milchglasscheiben am Heck.
    Die Bestatter zogen sich ebenfalls Schutzkleidung an, dann rollten sie eine Trage über das Brückchen von der Liegewiese auf die Woogsinsel.
    »Fahrt ihr jetzt in retro?«, konnte sich Horndeich nicht zu fragen verkneifen.
    Einer der Bestatter grinste verhalten. »Normalerweise nicht. Aber alle anderen Wagen sind unterwegs.« Er schaute in den Himmel, wo sich erste Wolken zeigten. »Liegt wohl an der schwülen Hitze. Zum Glück hat der Chef das gute Stück restaurieren lassen«, meinte er. Dann verschwand er mit dem Kollegen im Zelt.
    Horndeichs Blick wanderte über die Karosse. Perfekt restauriert, so sah es auf den ersten Blick aus. Dann schaute auch er nach oben. Würde heute wohl noch ein Gewitter geben.
    Wenig später rollte die Trage mit gefüllter Bergungshülle wieder in Richtung des Leichenwagens.
    »Kommen Sie mit nach Frankfurt?«, fragte Hinrich Horndeich.
    Der zuckte mit den Schultern. Der Tag konnte kaum mehr schlimmer werden. »Aber ich darf mich vorher noch umziehen, ja?«
    Margot war dankbar, dass Horndeich den Job übernommen hatte, Hinrich in Richtung Sektionstisch zu begleiten. Am Abend oder aber spätestens morgen würde Hinrich Näheres zum Tod des Mannes sagen können. Sie beschloss, schon etwas Vorarbeit zu leisten. Vielleicht konnte sie den Mann identifizieren. Sie würde es jedenfalls versuchen.
    Sie fuhr auf den Parkplatz am Präsidium, stellte ihren Mini Clubman ab und war drei Minuten später im Büro, das sie sich mit Horndeich teilte.
    Sie sah aus dem Fenster. Von Westen her zog eine dicke schwarze Wolkenfront heran. Welch grandiose Metapher, dachte Margot und wandte sich ab. Denn ihr Noch-Ehemann Rainer saß gerade in einem Flugzeug, das ihn aus den USA und damit aus ebendiesem Westen nach Deutschland brachte. Das wusste sie nicht von ihm, sondern von ihrem Vater. Es war Rainers erster Besuch auf dieser Seite des Atlantiks seit über einem Jahr. Und er kam nicht allein. Hoffentlich wurde er in seinem Flieger gut durchgeschüttelt.
    Obwohl die Temperatur im Büro der jenseits der Fenster in nichts nachstand, war Margot nach einem Kaffee zumute. Sie ging zum Kaffeeautomaten, stellte ihre Tasse unter die Düse und drückte auf die Kaffee-Taste. Die Maschine heizte auf, und wenig später konnte sie den Zucker in das Getränk geben. Einen Löffel. Gegen die Bitterkeit, wie sie immer zu sagen pflegte. Nur dass es vor einem knappen Jahr nur ein halber Löffel Zucker gewesen war. Die Bitterkeit in ihrem Leben war gestiegen. Sie hätte in letzter Zeit wahrscheinlich drei Löffel pro Tasse gerechtfertigt. Im Moment war das das geringste Problem. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie ein paar Kilo mehr auf den Hüften gehabt, doch auf dem Berg von negativen Gedanken waren im vergangenen Jahr zahlreiche dieser Kilos dahingeschmolzen.
    Sie fuhr ihren Rechner hoch und loggte sich ins System ein.
    Männlich, zwischen dreißig und fünfzig – da wurden ja sicher nicht so viele vermisst. Auch wenn Hinrich den Todeszeitpunkt noch nicht genannt hatte, ging Margot davon aus, dass der Mann noch nicht länger als eine Woche tot war. Wahrscheinlich eher kürzer. Denn für eine Wasserleiche hatte er noch ganz manierlich ausgesehen.
    Margot blätterte durch die Vermisstenmeldungen der vergangenen Woche. In Darmstadt
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