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Opfer (German Edition)

Opfer (German Edition)

Titel: Opfer (German Edition)
Autoren: R. Bernard Burns
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aufgedonnerten, rauschenden, ausgelassenen neunziger Jahre mit (naturellement) jeder Menge Scheine in seiner Brieftasche (welcher Währung spielte keine große Rolle, solange er stets heiter und unbeschwert an seiner langen, dünnen Panatela paffen und behandschuhte Hände auf sein langes, dünnes Spazierstöckchen legen konnte).
    Ach – er lehnte sich ganz, ganz eng an sie – sie war, war immer noch seine deflorierte Floradora, so herrlich, so köstlich, so wun-der-voll … Voll war es hier im Kelly. Er beobachtete sie (Heureka! N-n-nein … Jeritza! Sie war sein »Mädchen aus dem goldenen Westen«), wie sie übertrieben vornehm die Austerngabel an die Lippen führte.
    »Sind sie gut?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete sie mit vollem Mund.
    Er rückte eine Winzigkeit von ihr weg und schaute auf den ovalen Teller mit Austern à la Rockefeller. Und rückte nochmals eine Winzigkeit von ihr weg, als er die schmatzenden Geräusche ihrer großen Kiefer hörte. Auf einmal war das neunzehnte Jahrhundert weg. Plötzlich (wie oft hatte er sie heute Nachmittag und heute Nacht gefickt?) war er satt. Leicht angeekelt spießte er eine Auster (waren Austern tatsächlich ein Aphrodisiakum?) aus der krümeligen Salzschicht auf dem Teller auf seine Gabel, und während sie seine Speiseröhre hinunterglitt, beobachtete er Fortune aus den Augenwinkeln.
    Durstig, mit gieriger Mundbewegung trank sie den letzten Rest Weißwein in ihrem Glas aus und leckte dann den Rand ab, so wie sie vorhin die Spitze seines Schwanzes abgeleckt und die letzten heißen weißen Blubbertropfen aufgesaugt hatte. Ja, geil war sie, sehr sogar, nur eben jetzt nicht mehr so herrlich, so köstlich, so wunder-voll. Nein, ihr Mund war jetzt fast wie eine Molluske, wie eine rote, schleimig verschmierte Molluske, dachte er und dachte auch an das unordentliche Hotelzimmer, das sie vor etwa einer halben Stunde verlassen hatten, an das wirre Durcheinander von Puderquasten, rosa Büstenhaltern, hochhackigen Schuhen und; schwarzen Spitzenhöschen, an die zerknüllten Stücke Kleenex und die Lippenstiftflecke überall auf der Bettwäsche.
    Er goss ihr noch Wein ein und sich ebenfalls, und er fand, es war gut, war wirklich gut, dass sie morgen zu Oviedo zurückging. Denn – er stellte die Flasche zurück in den Kübel – er fing jetzt doch gerade an – langsam nahm er einen Schluck Wein –, Ordnung in sein Leben zu bringen, ganz abgesehen – er setzte das Glas ab – von Eleganz. Und was würde es werden, sein Leben, wenn er das alte romantische Verhältnis mit ihr wieder aufnähme? Nichts weiter als – er hob das Glas wieder an die Lippen – eine liederliche Folge (in theatralischem Heute-hier-und-morgen-da waren sie nirgends lange geblieben) unordentlicher Hotelzimmer, ungemachter Betten, zerwühlter Laken, nasser, mit pfirsichfarbigem Puder verklebter Waschbecken. Und halbgepackter Koffer. Und leerer Flaschen. Und Schlägereien in Bars. Und …
    Doch wozu – er trank einen Schluck, setzte abermals das Glas ab – weiter daran denken, an all die vergangene Unordnung, die Unordnung und Unordentlichkeit, das Chaos nächtlicher Fluchten, was alles wiederkäme, wieder zum Rahmen seines Lebens würde? Ja, wozu wieder an die bunte, aber trübe und wirre Kulisse denken (an das Arschficken, das Prügeln … Er erinnerte sich jetzt daran, wie sie ihn einmal, als er betrunken war, mit einer dieser künstlichen Nillen arschgefickt hatte), ja, diese bunte, aber irre und verrückte Kulisse dessen, was wieder einmal sein Leben sein würde, warum weiter daran denken – er schauderte leicht –, an die Bücher, die er nie geschrieben bekäme, ließe er diese Reunion, so wundervoll sie (er warf einen schuldbefangenen Blick auf sie) in ihrer Art auch wäre, das Vorspiel zu dem werden, was er, so es dazu käme, nur mit dem nostalgischen Neuaufguss einer ganz auf Walzer abgestimmten Operette, mit einem aufgewärmten Wiener Schnitzel mit kaltem Spiegelei vergleichen könnte? Und mit schalem blassem Bier. Und mit trockenem Schwarzbrot. Und mit ranziger Butter. Ja – sich als Verräter an ihr vorkommend, sah er jetzt ängstlich zu ihr hin (sie schlürfte gerade eine weitere Auster) – so wundervoll (das musste er zugeben: Sie fickte jetzt sogar noch besser als früher), ja, so wundervoll sie in ihrer Art auch gewesen war, diese Reunion musste morgen enden und durfte nie wiederholt werden (schließlich hatte er sein Ziel erreicht; er hatte herausgefunden, dass sie ihn immer noch
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