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Opfer (German Edition)

Opfer (German Edition)

Titel: Opfer (German Edition)
Autoren: R. Bernard Burns
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setzte den rechten Fuß vor und dachte dabei daran, dass er immer falsch setzte, aber dann, als er Lisa anschaute, wurde ihm klar, dass das alles nicht stimmte, denn ihre grauen Augen waren fast schon blau vor Verlangen, während sie die Tränen wegwischte und sich die Nase schneuzte. Und weshalb? Weil er ihr jetzt sein bittendes Lächeln schenkte, sein verführerisches, sein verführerisch erfolgreiches »Ich will meine Mama«-Lächeln.
    Er entschied sich zu schmollen. Und tat es. Dann schaute er hinunter auf den Jungen, der angefangen hatte, seine Schuhe zu putzen. Er bewunderte des Jungen glänzendes Haar, bewunderte die feine, glatte Bräune seiner Haut.
    »Ja, Rodney«, sagte Lisa, »ich werde nach Spanien zu rückgehen, wenn sie dort wieder einen König haben.«
    Diesmal antwortete er nicht. Er merkte, wie sein Glied wieder erschlaffte.
    Über Spaniens Ebenen liegt jetzt Stille. Spanien ist die Leiche eines Jahrhunderts. Der Krieg ist aus, ist gewonnen worden, doch nicht von dir, genau wie dieser Krieg, dieser größere und wichtigere Krieg, sofern man überhaupt von etwas sagen kann, es sei wichtiger oder unwichtiger, eines Tages aus und gewonnen sein wird, aber nicht von dir …
    Er schüttelte den Kopf. Der Indiojunge lächelte zu ihm hoch, tippte sanft auf den fertiggewienerten Schuh. Lisas Haupt, mehr aschfarben als blond, war in komischem Winkel geneigt. Sie lächelte ihn neckisch an. Ihre Zähne sahen aus wie Papier, wie alles an ihr.
    »Was hast du, Liebster?«
    Sie berührte seine Hand leicht mit der einen Fingerspitze. Er ergriff sie. Und drückte zu. Dann bog er ihr den ganzen Finger um.
    »Nicht, Rodney. Bitte. Bitte, tu mir nicht weh …«
    »Du lässt dir doch gern weh tun, du kleines geiles Luder. Erst spielst du gern Mamma. Und dann …«
    »Ja. Ja, Liebster. Ja« – sie versuchte, ihm ihren Finger zu entziehen – »ja, Rodney, ja. Aber nicht hier …«
    »Na gut«, sagte er. Seine Stimme war leise und barsch. »Sobald der Junge mit meinen Schuhen fertig ist, gehen wir nach hinten und reden mit Conchita, und dann bürste ich dir so den Arsch, dass dir die Scheiße zu den Ohren rauskommt.«
    Sie sagte nichts, senkte nur die Augen und den ganzen Kopf. Und während er auf den Schuhputzer hinunterschaute und von neuem dessen bronzene Bräune, Jugend und Schönheit bewunderte, sah er, dass der Junge sie beide mit einer Mischung aus Angst und Neugier beobachtete. Und wieder spürte er seinen Schwanz hart werden. Er ließ ihren Finger los, setzte die Füße anders hin, so dass der Junge den zweiten Schuh putzen konnte, steckte sich eine Elegante an und machte tiefe Züge. Dann, nur um etwas zu sagen, fragte er:
    »Was ist mit Tehuantepec, Lisa? Was wollen wir tun?«
    »Ich weiß nicht …« Sie schwiegen wieder. »Para boy! Para boy, Señor!«
    Mit einer Kopfbewegung winkte er einem hässlichen alten Weib ab, das plötzlich neben dem Tisch stand, das Gesicht voller syphilitischer Geschwüre von der gleichen Farbe wie ihr Zahnfleisch.
    »Para boy! Para boy!« In der zitternden schmutzigen Hand hielt sie die Lotterielose. »Para boy!« Dann schlurfte sie weiter, barfuß gleich dem Zeitungsjungen, auf dessen »Ultimas Noticias! Novedades!« Rodney ebenfalls den Kopf schüttelte. An allen Tischen saßen gestikulierende Männer. Bis auf Lisa und zwei weitere waren die Serviererinnen mit ihren weißen Schürzen und ihren sich unter den schwarzen Kleidern prall abzeichnenden Brüsten und Hinterteilen die einzigen Frauen hier drinnen. Sie liefen in den engen, vollen Gängen hin und her, wo sombrerobehütete Indios Ponchos zu verkaufen suchten und von der Straße hereinkommende Leute nach Bekannten oder einem Tisch Ausschau hielten. Hier und dort saß ein deutlich erkennbarer Europäer und blinzelte durch eine dicke Schildpattbrille in das rauchgeschwängerte Sonnenlicht.
    »Para boy! Para boy! Ultimas Noticias! Novedades!« Die Schlagzeilen sprachen von den Kämpfen an der Kertsch-Straße, wo die Deutschen schon wieder einen Sieg errungen hatten. Rodney schaute abermals zu General Miajo hinüber.
    Das war er also. Unmilitärischer Schmerbauch. Patriarchalisches Gebaren. In jeder äußeren Beziehung so völlig anders als der Mann, den er sich den ganzen Spanischen Bürgerkrieg hindurch als unnachgiebig hart und streng vorgestellt hatte. Als drahtig. Und drakonisch. Doch da saß er nun, einfach jemand an einem Nebentisch, auf den Lisa ihn vor ein paar Minuten aufmerksam gemacht hatte.
    »Da ist Miaja«, hatte
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