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Opfer fliegen 1. Klasse

Opfer fliegen 1. Klasse

Titel: Opfer fliegen 1. Klasse
Autoren: Stefan Wolf
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mithörte. Doch Schlange!
    Dann brachte Gaby das lange
Gespräch auf den Punkt. „Der reiche Leipel, der vermutlich bald hinscheiden
wird, Nadja, will also sein Vermögen deiner Mutti hinterlassen, kann aber nicht
frei handeln, weil ihn seine Ex, das Mistweib, mit irgendwas in der Hand hat,
ihn sozusagen erpressen könnte. Dennoch wird er es so einrichten, wie er
behauptet, daß deine Mutti alles kriegt — obschon es anfangs nicht so aussehen
wird.“
    „So ist es“, rief Nadja. „Was
soll ich nun denken?“
    „Hoffen wir“, sagte Gaby, „daß
Herr Armin Leipel noch lange lebt — auch wenn er sich sterbensmatt fühlt.
Immerhin — seine Bemerkungen sind rätselhaft. Denn jemanden, der ableben wird, kann
man eigentlich nicht erpressen. Und wie meint er das, daß ihr doch alles
kriegt, obschon seine Exfrau die Erbin wird? Wirklich — extrem rätselhaft. Wir
müßten... O Gott! Mein Maulwurf düst — da kommen Kurt und Patrick.“
    Das ist wohl mehr an mich
gerichtet als an Nadja, dachte Tim und wälzte sich rücklings.
    Ja, richtig! Kurt Werfall, 20,
und Patrick Schröder, 19, tanzten an, hatten Nadja in der sicherlich
1000köpfigen Menge erspäht und richteten ihre Schritte dorthin.
    Die beiden waren gleich groß,
blond und sahen sich als Typen, die bei Mädchen gut ankommen. Sie stählten sich
im Fitness-Studio, bräunten sich im Solarium und waren — gemeinschaftlich — in
schier wahnsinniger Liebe zu Nadja entbrannt. Aber die, wie gesagt, mochte
beide und konnte sich für keinen entscheiden.
    Was eines Tages, dachte Tim mit
sicherem Instinkt für psychische Kurzschlüsse, böse enden wird.
    Kurt trug schwarze
Schwimmshorts, Patrick rote. Außerdem unterschieden sie sich durch ihre
Armbanduhren — gewaltige, protzteuere Nobelmarken-Zeitanzeiger.
    „Jetzt nicht mehr davon reden!“
sagte Nadja hastig; und Tim hörte auch das durchs Walkie-Talkie.
    Dann hatten die beiden Typen
die Mädchen erreicht.

2. Für die Zeit nach ihm
     
    Es war heiß in der
Millionenstadt. In den Straßen stand die Luft schwer und feucht. Der Asphalt
weichte auf. Die Ozonwerte hatten eine gesundheitsschädliche Höhe erreicht.
Eis-Cafés hatten Hochbetrieb, und viel zu oft heulten die Sirenen von Ambulanz
und Notarzt, weil bei vielen Mitmenschen der Kreislauf versagte.
    Armin Leipel befand sich in
seiner Villa am westlichen Stadtrand, blickte in den üppig blühenden Garten und
dachte über alles nach.
    Da war nur Haß seit der
Scheidung, gegenseitiger Haß. Aber der Umgangston wurde gewahrt. Besonders seit
Leipel sein Ende fühlte. Ja, er war krank, todkrank.
    Er griff zum Telefon.
    Irene, seine Ex, das Mistweib —
sie meldete sich nach dem vierten Läuten.
    „Hallo!“ meinte er. „Wie
geht’s?“
    „Danke, Armin! Sehr gut. Und
dir?“
    „Er grinst mir über die
Schulter“, sagte Leipel. „Das ist keine schöne Vision.“
    „Du übertreibst, Armin. Du bist
doch jetzt im Ruhestand. Du hast deine Firma verkauft. Du sitzt auf einem
Millionenvermögen und läßt es dir gutgehen.“
    „Ich übertreibe nicht. Deshalb
rufe ich dich ja an. Ich mach’s nicht mehr lange.“
    „Täte mir leid“, erwiderte
Irene Flörchinger. Nach der Scheidung vor viereinhalb Jahren hatte sie ihren
Mädchennamen wieder angenommen.
    „Ich will dir nur sagen, daß
ich alles geregelt habe.“
    „Dein Testament?“
    „Genau.“
    „Denk an unsere Abmachung,
Armin!“
    „Aber ja.“ Er konnte sich ihr
überschminktes Gesicht vorstellen — und die Gier in ihren Augen.
    „Dir liegt doch an deinem guten
Ruf, Armin — auch nach deinem Ableben.“
    „Was fragst du?“
    „Muß ich doch. Bei einem wie
dir. Die ehrenwerte Fassade. Das Ansehen. Der Respekt der Mitmenschen. Ich
kenne keinen, dem das soviel bedeutet wie dir. Muß ein Tick sein. Ich versteh’s
nicht. Anderen wäre es egal, sobald sie den Löffel abgeben. Aber du führst dich
auf wie ein Monarch, der an seinem Grabmal bastelt. Als wäre irgendwas für die
Ewigkeit. Andere denken: Nach mir die Sintflut. Nach mir kann die Welt
untergehen. Aber Armin Leipel möchte dastehen als das lautere Vorbild. Na, mir
soll es recht sein.“
    „Du redest zuviel.“ Mistweib!
dachte er.
    „So? Ich will dich nur
erinnern, Armin! Ich kann beweisen, daß du 148 Menschen umgebracht hast. Armin
Leipel, der Massenmörder. Armin Leipel, der Brudermörder. Armin, du bist ein
eiskalter Psychopath. Die Menschen würden auf deinen Grabstein spucken, wenn
ich den Mund aufmache.“
    „Aber du schweigst,
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